Medienfreiheit: Nichts als ein «unglücklicher Vorfall»?

Nr. 16 –

Einmal mehr könnte ein Medienschaffender in Russland seine Arbeit mit dem Leben bezahlt haben: Vergangene Woche war Maksim Borodin vom Balkon seiner Wohnung im fünften Stock gestürzt, am Wochenende ist der 32-jährige Investigativjournalist nun in Jekaterinburg im Osten des Landes im Spital gestorben.

Für die russischen Behörden scheint der Fall klar: Die zuständige Ermittlungskommission sieht «keinerlei Anzeichen für ein Verbrechen», sie geht stattdessen von einem «unglücklichen Vorfall» aus. Selbstmord also. Freunde und Kolleginnen des Verstorbenen glauben hingegen, dass der Sturz vom Balkon nicht freiwillig geschah. Ihren Berichten zufolge soll Borodin, der für die Nachrichtenagentur Nowy Den arbeitete, kurz vor seinem Tod von maskierten Männern vor seinem Fenster erzählt und gesagt haben, dass er mit einer Hausdurchsuchung rechne. Später habe er seine Aussagen jedoch revidiert.

Mit seinen Recherchen über Korruption und kriminelle Machenschaften hat der Reporter die Mächtigen gegen sich aufgebracht. Ihnen dürfte wohl auch seine letzte Recherche missfallen haben: Borodin hatte über die russische Söldnertruppe Wagner geschrieben, die schon während der Krimannexion im Einsatz war und derzeit in Syrien kämpft. Der paramilitärischen Gruppe werden enge Kontakte zum Kreml nachgesagt. Vor wenigen Monaten sollen bei einem US-Angriff über 200 Mitglieder der Truppe gestorben sein, die Behörden haben die Todesfälle aber nie bestätigt. Für mehrere Beiträge besuchte Borodin Verwandte der Toten.

Seit 1992 sind in Russland laut dem Committee to Protect Journalists 58 Medienschaffende getötet worden. Die meisten Morde wurden nie aufgeklärt.