Frühpensionierung: Kaputtschuften

Nr. 19 –

In der Baubranche droht ein Wegfall der Frühpensionierung mit sechzig Jahren oder eine Rentenkürzung. Die Stimmung auf dem Bau ist aufgeheizt.

Freitagmorgen in einer Baubaracke in der Nähe von Basel. Einen Tag zuvor wurde bekannt, dass die Frührente mit sechzig für BauarbeiterInnen wegzufallen droht. Unia-Sekretär Lucien Robischon erklärt den Bauarbeitern die aktuelle Situation, diese sind verunsichert. Auch sie haben gehört, dass es mit der Frühpensionierung ab sechzig Jahren bald vorbei sein könnte. Ein älterer Mann ist empört. Sein ganzes Leben lang habe er auf dem Bau geschuftet, sich kaputtgemacht, und das sei nun der Dank.

«Die fehlende Wertschätzung für ihre harte Arbeit macht vielen Bauarbeitern zu schaffen», sagt Robischon. «Sie haben einen grossen Teil dieses Landes mitaufgebaut. Dass die Verschlechterungen, die der Baumeisterverband nun vorschlägt, der Dank dafür sein soll, empfinden viele als Hohn. » Entsprechend gross sei teilweise der Unmut. Dass nun auch noch die Frühpensionierung angegriffen werde, heize die Stimmung zusätzlich an, so Robischon.

Tatsächlich brodelt es in der Baubranche schon lange. Mit der Ankündigung der Auffangeinrichtung BVG des Bundes, den Vertrag mit der Stiftung FAR zu kündigen, wurde nun zusätzliches Öl ins Feuer gegossen. Die Stiftung FAR sorgte bisher dafür, dass BauarbeiterInnen bereits mit sechzig in Pension gehen können. Da die ordentliche Rente erst ab 65 Jahren ausbezahlt wird, sorgt die FAR für eine Übergangsrente. Ein Teil dieser Rente wurde bisher durch die BVG-Auffangstiftung finanziert, der andere durch Beiträge von BaumeisterInnen und BauarbeiterInnen.

Baumeisterverband blockt ab

Als Reaktion auf die Kündigung der BVG forderte der Schweizerische Baumeisterverband «echte Sanierungsmassnahmen». Er verschwieg dabei gekonnt, dass die Gewerkschaften bereits seit vergangenem Herbst eine Erhöhung der Lohnbeiträge fordern, um die Stiftung zu stabilisieren. Es erweckt ganz den Anschein, als habe der Baumeisterverband auf die Kündigung des Vertrags durch die BVG spekuliert.

Auch eine Stiftungsratssitzung der FAR am vergangenen Freitag blieb ergebnislos. Die Gewerkschaften Unia und Syna forderten erneut eine Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,75 Prozent. Diese sollten sich ArbeiterInnen und UnternehmerInnen teilen. Tatsächlich könnte diese Erhöhung die FAR-Stiftung für die nächsten Jahre entlasten. Genau dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen. Das wird in den nächsten Jahren der Fall sein. Bereits ab 2024 wird die Zahl der RentnerInnen wieder sinken. Doch der Baumeisterverband blockte erneut ab, er betrachtet weitere Lohnabzüge als wirkungslos.

Damit steht mit der Rente ab sechzig Jahren eine der wichtigsten Errungenschaften im Baugewerbe auf der Kippe, die man sich vor fünfzehn Jahren erkämpft hat. Gibt es in den nächsten Verhandlungsrunden keine Einigung, droht eine Erhöhung des Rentenalters oder eine Kürzung der Renten. Beides ist für die Gewerkschaften und die Beschäftigten keine Option. Für sie käme dies einem Kahlschlag gleich.

Es drohen Streiks

Tatsächlich wäre eine Erhöhung des Rentenalters kaum zielführend. Bereits heute stehen viele ArbeiterInnen auf dem Bau die Anstrengungen nicht bis zur möglichen Frühpensionierung durch. Immer mehr ältere ArbeiterInnen werden in höherem Alter in die Temporärarbeit abgeschoben. Andere landen bei der Invalidenversicherung oder den Arbeitslosenkassen. Eine Erhöhung des Rentenalters würde die Probleme also lediglich verschieben. Zusätzlich strebt der Baumeisterverband bei den älteren Arbeitenden vermehrt Lohnkürzungen an.

Für Gewerkschaftssekretär Lucien Robischon ist das Fass nun übergelaufen: «In den vergangenen vier Jahren gab es keine Lohnerhöhungen. Die Lohnrunden blieben immer ein Nullsummenspiel.» Mittlerweile sei Samstagsarbeit auf den Baustellen zur Normalität geworden, viele Bauunternehmen kalkulierten diese bereits von Anfang an ein. Hinzu komme eine Erhöhung der Arbeitszeit. «Der Baumeisterverband arbeitet aktiv auf eine Fünfzigstundenwoche hin», warnt Robischon.

All das führt dazu, dass die Stimmung im Gewerbe mittlerweile höchst angespannt ist. «Dann streiken wir halt für ein paar Tage», meint ein Bauarbeiter in Basel. Tatsächlich sind Streiks nicht mehr auszuschliessen, die Bauarbeiter stimmen derzeit darüber ab. Zusätzlich mobilisieren in der ganzen Schweiz GewerkschaftssekretärInnen die BauarbeiterInnen für eine grosse Baudemonstration Ende Juni. Die Beschäftigten geben sich kämpferisch. Bereits Ende Mai stehen die nächsten Verhandlungen zwischen dem Baumeisterverband und den Gewerkschaften an. Ende 2018 läuft der jetzige Landesmantelvertrag aus, es ist mit harten Verhandlungen zu rechnen. Und auch bei der Vertragskündigung seitens der BVG-Auffangeinrichtung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Die Gewerkschaften wollen rechtlich gegen diese vorgehen.