Baubranche: Der Herbst wird heiss
Die Baumeister wollen den Landesmantelvertrag verlängern, 15000 forderten auf der Strasse bessere Bedingungen.
In der Baubranche zeichnet sich ein heisser Herbst ab. Der Baumeisterverband will den bestehenden Landesmantelvertrag (LMV) um ein Jahr verlängern, die Gewerkschaften hingegen möchten ihn neu verhandeln.
Im Wesentlichen geht es den Gewerkschaften um drei Punkte: Sie wollen die vor zehn Jahren ausgehandelte Frühpensionierung mit sechzig Jahren langfristig sichern, griffigere Massnahmen gegen Lohndumping ergreifen und die Arbeitssicherheit verbessern. Kommt es nicht zu Verhandlungen, steht die Branche vertragslos da.
Streitpunkt Frühpensionierung
Ein vertragsloser Zustand ab 2016 gefährdet den Arbeitsfrieden. Es könnte folglich einen Herbst mit Arbeitskämpfen, also Streiks und Arbeitsniederlegungen geben. Das hätte auch für andere Branchen Signalwirkung: Dem LMV unterstehen 80 000 BauarbeiterInnen, er ist der bedeutendste Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag.
Nico Lutz, Sektorleiter Bau der Gewerkschaft Unia, sagt: «Seit Anfang Jahr möchten wir verhandeln, aber die Baumeister stellen sich quer. Sie wollen die gravierenden Probleme auf dem Bau nicht lösen. Dabei sind sie angesichts einer kriselnden Baubranche in Europa ebenso auf einen Vertrag angewiesen, um ihr Geschäft zu schützen.»
Die Gewerkschaften möchten die Frühpensionierungslösung langfristig sichern und Verschlechterungen vermeiden. Finanziert wird diese über die paritätisch besetzte Stiftung Frühzeitiger Altersrücktritt. Noch besteht zwar keine Unterdeckung. Doch die Gewerkschaften weisen auf die geburtenstarken Jahrgänge hin, die demnächst in Pension gehen – weshalb die Stiftung bald in Unterdeckung geraten wird. «Es braucht vorübergehend etwas mehr Geld, und zwar rasch, nicht erst, wenn es zu spät ist», sagt Lutz.
Die Frühpensionierung wollen die Gewerkschaften mit zusätzlichen Lohnprozenten sichern. Die Baumeister hingegen stellen sich auf den Standpunkt, das lasse sich in absehbarer Zeit mit «technischen Anpassungen» durch den paritätisch zusammengesetzten Stiftungsrat intern regeln. Der Baumeisterverband habe zudem gar kein Interesse, das Rentenalter sechzig anzutasten, wie Martin A. Senn, Vizedirektor des Baumeisterverbands, unlängst gegenüber der NZZ verlauten liess. Klar ist: Die Frühpensionierungen haben sich bewährt – die Folgekosten etwa wegen Invalidität oder Arbeitslosigkeit und Aussteuerung sind deutlich gesunken.
Verbesserungen streben die Gewerkschaften auch bei der Arbeitssicherheit an. Das Unfallrisiko auf dem Bau ist hoch. Ein Bauarbeiter verunfallt statistisch gesehen alle fünf Jahre, das Risiko ist im Vergleich mit allen anderen Branchen im Durchschnitt dreimal höher. Heute liegt es weitgehend im Ermessen des Poliers, ob bei Schlechtwetter oder Kälte die Arbeit unterbrochen werden soll, weil es zu gefährlich ist. Beim hohen Termindruck auf den Baustellen steht der Polier unter dem Druck von BauunternehmerInnen und Baumeistern. Die Gewerkschaften fordern nun klare und verbindliche Richtlinien, um die Unfallgefahr weiter zu minimieren.
Ein starkes Zeichen
Und schliesslich wollen die Gewerkschaften griffigere Massnahmen gegen Lohndumping, um gegen die schwarzen Schafe der Branche vorzugehen, die nicht nur den BauarbeiterInnen, sondern auch den seriösen Baumeistern schaden. «Die Baumeister selber sagen, dass Lohndumping ein Problem sei, aber wenn es um griffige Massnahmen geht, kneifen sie», sagt Lutz.
Der Druck auf die Baumeister vonseiten der BauarbeiterInnen und der Gewerkschaften steigt. Die Demonstration vom Wochenende brachte 15 000 Leute auf Zürichs Strassen – so viele wie schon lange nicht mehr. BauarbeiterInnen aus allen Landesteilen reisten mit Sonderzügen und Bussen an. Und noch ein starkes Zeichen: Die Gewerkschaften Syna und Unia lassen sich in der Frage einer Neuverhandlung des Landesmantelvertrags nicht auseinanderdividieren.