Britische EU-Politik: Bockig bis zum bitteren Ende

Nr. 28 –

«Der Brexit-Traum stirbt», meinte Boris Johnson am Montag, und für einmal hatte er recht. Sein Rücktritt, wenige Stunden nachdem Brexit-Minister David Davis abgetreten war, hätte eigentlich das Ende von Theresa May einleiten sollen; aber stattdessen zeigt er vor allem: Der harte EU-Austritt, der den rechtskonservativen EU-GegnerInnen vorschwebt, rückt mit jedem Tag weiter in die Ferne.

Die «Brexiteers» reagieren darauf nicht, indem sie ihre Erwartungen zurückschrauben, sondern mit Bockigkeit: Die Fehler lägen bei der Regierung, die zu wenig forsch aufgetreten sei, bei mangelnder Vorstellungskraft und fehlendem Mut. Mays Versuch, die seit den neunziger Jahren bestehende Spaltung (zwischen EU-PragmatikerInnen und -GegnerInnen) innerhalb der Tory-Partei zu überwinden, ist gescheitert.

Indes schätzen die Brexit-AnhängerInnen die derzeitige Situation weit realistischer ein als die Regierung: Mays Plan wird Britannien kaum zu mehr Souveränität führen, geschweige denn zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Vielmehr wird das Land – sollte denn die EU auf die britischen Vorschläge eingehen – zu einem Anhängsel der EU degradiert, deren Regeln es übernehmen muss, ohne sie mitbestimmen zu können. Wozu soll diese Art des Brexit denn überhaupt gut sein? Diese Frage konnte die Regierung bisher für niemanden befriedigend beantworten.

Überraschend ist jedoch, dass Theresa May trotz des Brexit-Debakels bis heute politisch überleben konnte und ihr die konservative Presse weiterhin die Stange hält. Auch nach der Demission von Johnson und Davis übte lediglich der «Daily Telegraph» offene Kritik an der Premierministerin.

Der Grund dafür sitzt auf den Oppositionsbänken: Sollte die Regierung zusammenbrechen und sollten Neuwahlen ausgerufen werden, stehen die Chancen gut, dass Jeremy Corbyn Premierminister würde – derzeit liegen Tories und Labour in Umfragen Kopf an Kopf bei je rund vierzig Prozent, und wie viel Enthusiasmus der Labour-Chef in einem Wahlkampf generieren kann, hatte er vor einem Jahr gezeigt. Für die Konservativen ist das ein Horrorszenario, das es unter allen Umständen zu verhindern gilt.

Anders als bei einem zweiten Referendum wären Neuwahlen jedoch die einzige Möglichkeit, dem Land eine Mitsprache im Prozess des EU-Austritts zu geben, ohne die Gegensätze im Land weiter zu verschärfen. Sie gäben den Parteien die Gelegenheit, eine grössere Vision für das Land zu präsentieren und den Brexit in ein Programm einzubetten, das breite Teile der Gesellschaft anspricht.