Kino-Film «Hereditary»: Schreckgespenst und Realität

Nr. 29 –

Es kann kein Zufall sein, dass in den USA unter Trump vermehrt Horrorfilme die Massen und die KritikerInnen umtreiben. Letztes Jahr war «Get Out» angesagt, ein kluger Schocker, der vorführte, wie sich diabolischer, aber auch «gut gemeinter» Rassismus anfühlt. Der Twist dabei: Der eigentliche Horror von Jordan Peeles Film ist der Rassismus selbst. Aktuell begeistert «Hereditary», der Erstling des New Yorkers Ari Aster. Hier scheint die Quelle des Horrors ganz klar die Familie zu sein – oder wie es ein Kritiker im «New Yorker» treffend zusammenfasste: «Es gibt keinen Fluch in dieser Familie. Die Familie selbst ist der Fluch.»

Auf den zweiten Blick ist die Sache mit dem Fluch aber komplizierter. Gleich zum Auftakt von «Hereditary» beerdigt Annie (Toni Colette) ihre Mutter. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter war offenbar lange gestört, Bruder und Vater sollen schon vor Jahren umnachtet Suizid begangen haben. Annies eigene Tochter wiederum ist, gelinde gesagt, verhaltensauffällig. Auch der Sohn lebt in seiner eigenen Welt, kifft zu viel. Der Gatte (Gabriel Byrne) gibt den ruhenden Pol am Rand der Verzweiflung. Langsam breitet sich das Unheil immer weiter aus, kippt vom Wahn ins Übersinnliche, vom Psychologischen ins Zeichenhafte. Denn das wirklich Interessante an «Hereditary» ist nicht der Plot, sondern seine visuelle Inszenierung. Annie ist Künstlerin, bastelt täuschend echte Nachbildungen von Hausteilen und Szenen aus ihrem Leben.

Auch das Filmbild spielt uns Streiche: Wir sehen ein Schlafzimmer und wissen zuerst nicht, ob das nun real ist oder ein Puppenhaus. Man zeigt uns einen dunklen Wald, der plötzlich aussieht wie gemalt. Und genau in dieser Unentschiedenheit zwischen Fake und Realität, zwischen Schreckgespenst und Wirklichkeit, hockt der ultimative Horror von «Hereditary». Wie passend, im Zeitalter von trumpschen und anderen Lügengebäuden, die sich zynisch als Wahrheit ausgeben.

Hereditary. Regie: Ari Aster. USA 2018