Sacha Baron Cohen: Schulkinder bewaffnen? Super Idee!

Nr. 29 –

Wir haben ihn vermisst. Aber jetzt, wo er wieder da ist, fragt man sich: Bringts das noch? In seiner neuen TV-Show «Who Is America?» will der Komiker Sacha Baron Cohen das zerrissene Land versöhnen.

Meint der das ernst? Ungläubig blickt das republikanische Ehepaar auf seinen Gast, der beim gesitteten Tafelgespräch berichtet, wie er seine Tochter zum «freebleeding» angestiftet habe. Ja, sie menstruiere jetzt ohne Binde oder Tampon, und zwar auf der US-Flagge. Der Lerneffekt dabei: Die Tochter bekomme gleich auch die blutige Gründungsgeschichte ihres Landes vor Augen geführt. Verblüffend auch: Nach einer Weile sehe das Sternenbanner aus wie die Flagge der Volksrepublik China.

Es ist Sacha Baron Cohen, der sich hier als professoraler Späthippie verkleidet hat, um mit Leuten, die Donald Trump gewählt haben, über Geschlechterrollen zu plaudern. Seit seinem letzten Film, «The Dictator» (2012), war der britische Extremkomiker praktisch nur noch als Nebendarsteller in Hollywood in Erscheinung getreten, letztes Jahr verschwand er ganz von der Bildfläche. Warum, das sieht man jetzt: Der 46-Jährige hat insgeheim an einer neuen TV-Show gearbeitet. Mit «Who Is America?» meldet er sich auf seinem angestammten Gebiet zurück, der Undercoversatire. Seine Rollen in der siebenteiligen Serie, neben besagtem Hippie: ein debiler Verschwörungstheoretiker im Rollstuhl, der Bernie Sanders zum Interview trifft, ein Exhäftling, der einer Galeristin seine mit Kot und Sperma gemalten Knastkunstwerke andrehen will, und ein ehemaliger Mossad-Agent mit radikalen waffenpolitischen Ideen.

Der treuherzige Rassist

Sacha Baron Cohens Methode kennt man spätestens seit seinem Welterfolg als kasachischer Reporter Borat: Als treuherziger Rassist und Frauenfeind verbrüdert er sich mit Rassisten und Frauenfeinden, bis sie ihre Deckung fallen lassen. In den besten Momenten ist Baron Cohen ein politischer Prankster, ein Clown in Zivil, der mit kruden Ansichten hausiert und seine Opfer mit aufreizend offensiver Naivität kitzelt, bis sie ihr obszönes Gesicht preisgeben.

Das gelingt ihm auch jetzt wieder, manchmal. Die erste Folge von «Who Is America?» gipfelt darin, dass der Komiker als israelischer Antiterrorexperte eine Reihe von US-Waffenlobbyisten auf einen irrwitzigen Plan einschwört, wie man dem Problem von Schiessereien an Schulen beikommen könnte. Als Stichwortgeber dient ihm dabei die National Rifle Association (NRA) mit ihrem Vorschlag, Lehrpersonen zu bewaffnen. Eine prima Idee, wie ja auch Präsident Trump fand? Völlig hirnrissig, hält der Ex-Mossad-Mann mit schwerem israelischen Akzent dagegen: «Ihr solltet die Kinder bewaffnen.»

Aufgepimpt als vierschrötige Kampfmaschine, operiert Sacha Baron Cohen hier nach dem gleichen Muster, wie das Herr und Frau Müller im Juli 1980 in der legendären Schweizer TV-Diskussion zu den Zürcher Jugendunruhen taten: Er stellt die Hardliner bloss, indem er sie innerhalb ihrer eigenen Logik überbietet und den noch schärferen Hardliner markiert.

Obszönes ist an der Tagesordnung

So zieht dieser israelische Terminator los, um seine US-Waffenbrüder davon zu überzeugen, dass es eine gute Sache sei, schon Kinder ab drei Jahren im Gebrauch von Schusswaffen zu unterrichten. Philip Van Cleave, ein Aktivist gegen strengere Waffengesetze, lässt sich sogar für ein albernes Werbevideo einspannen, in dem er sogenannte Gunimals vorführt: mit herzigen Plüschtieren verkleidete Feuerwaffen, ideal für Kinderhände. «Happy shooting, kids!», wünscht zum Schluss der ersten Episode der Radiomoderator und frühere republikanische Kongressabgeordnete Joe Walsh.

Dass die Düpierten sich nun, wie Walsh, in TV-Interviews herauswinden oder, wie der republikanische Senatskandidat Roy Moore, dem Komiker mit einer Klage drohen, gehört zum Spiel. Das Problem ist nur: Die politische Kultur in den USA hat sich inzwischen so sehr verschoben, dass die Entblössungstaktik des Extremkomikers oft ins Leere geht. Im Weissen Haus sitzt ja heute ein Mann, der selbst schon wie eine Figur von Sacha Baron Cohen funktioniert: Der sondert von selber ungeniert rassistische und andere Dummheiten ab, da brauchts gar niemanden mehr, der sie aus ihm herauskitzelt. Das Obszöne ist jetzt an der Tagesordnung.

Tolerant ist die Trumpistin

So ist es vielleicht bezeichnend, wie Sacha Baron Cohen am republikanischen Esstisch mit seiner eigenen Methode bricht. Zum Gespött macht sich hier nämlich nicht das arglose Gastgeberpaar, das vom verkleideten Komiker hinters Licht geführt wird. Zielscheibe des Spotts ist der Gast selbst, oder genauer: seine Witzfigur mit ihrer hehren Mission, das zerrissene Land zu versöhnen. Sacha Baron Cohen spielt diesen Späthippie exakt so, wie sich die Rechten die Karikatur des progressiven Akademikers erträumen: politisch so korrekt, dass er gar nicht merkt, wie totalitär er ist. Und als ihn der Gastgeber mal unterbricht, weil es sich nicht ziemt, bei Tisch übers Menstruieren zu reden, weist die Hausherrin ihren Mann gleich zurecht: «Urteile nicht.» Es ist die bibelfeste Trumpistin, die sich hier als Hüterin der Toleranz zeigen darf. Da können dann auch die Rechten applaudieren.

«Who Is America?» läuft beim US-Sender Showtime, beim britischen Channel 4 und in Deutschland beim Bezahlsender Sky Atlantic.