Literatur: Intelligenter Widerstand

Nr. 36 –

«Eine Heldengeschichte» nennt Erich Hackl sein Buch über den österreichischen Kunsthandwerker Reinhold Duschka, der zwei Jüdinnen über drei Jahre bis zum Ende des Nationalsozialismus in Wien versteckt hielt. Regina Steinig und ihre Tochter Lucia lebten und arbeiteten in seiner geräumigen Werkstatt; nachts und bei Besuch von KundInnen verkrochen sie sich in einen Verschlag ohne Fenster.

Dass sie mitarbeiten durften, war für Regina und Lucia ein Segen. Sie lernten, mit Kupfer-, Messing- und Silberblech umzugehen. Daraus fertigte Duschka Vasen, Armreifen oder Tierfiguren an. Mit dem Erlös aus den Produkten kaufte er auf dem nahe gelegenen Naschmarkt Lebensmittel, zur Not bei befreundeten «Standlern» auch ohne Lebensmittelmarken, sodass die beiden Frauen nicht hungern mussten.

Erich Hackl, der preisgekrönte Autor von «Abschied von Sidonie» und vielen anderen Geschichten von Opfern des Faschismus, erzählt diese Überlebensgeschichte wie immer detailliert und sorgfältig recherchiert. Vor allem lag ihm daran, mehr über die Person des Lebensretters zu erfahren.

Reinhold Duschka, der im Mai 1993 verstarb, hatte sich lange dagegen gesträubt, für seinen Einsatz geehrt zu werden. Leider auch aus Angst davor, KundInnen zu verlieren – im Wien der Nachkriegszeit! Erst zwei Jahre vor seinem Tod wurde er von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in die Gemeinschaft der «Gerechten unter den Völkern» aufgenommen.

Es war der Enkel, der als Kind oft beim Grossvater verweilt und Zugang zu dem verschlossenen Mann gefunden hatte, der Erich Hackl mehr erzählen konnte. Er wusste um seine politische Wachheit und hatte schon als Kind von den beiden geretteten Jüdinnen gehört. Ihm war klar, dass sein Grossvater die besten Voraussetzungen für eine solche Aktion von «intelligentem Widerstand» mitbrachte: Selbstdisziplin, Verschwiegenheit, Einzelgängertum und Menschenkenntnis. Zudem war er als Bergsteiger gewohnt, selbstverständlich Verantwortung zu übernehmen für alle, die mit ihm am Seil hingen.

Erich Hackl: Am Seil. Eine Heldengeschichte. Diogenes Verlag. Zürich 2018. 128 Seiten. 27 Franken