Pressefreiheit in der Türkei: 150 geschlossene Medien
Was Recep Tayyip Erdogan von der Pressefreiheit hält, macht er im Ausland per Drohung und im Inland per Isolationshaft deutlich.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat vergangenen Freitag bei seinem Besuch in Deutschland einmal mehr gezeigt, was Pressefreiheit für ihn bedeutet. Ein Fotograf, der ein T-Shirt mit der Aufschrift «Freiheit für Journalisten» trug, wurde mitten in der Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Sicherheitspersonal abgeführt.
Bereits zuvor hatte Erdogan damit gedroht, die Pressekonferenz abzusagen, wenn der türkische Journalist Can Dündar diese besuchen dürfe. Dündar war 2015 als Chefredaktor der Tageszeitung «Cumhuriyet» verhaftet und wegen «Spionage» angeklagt worden. Heute lebt er in Deutschland im Exil. Der Pressekonferenz blieb Dündar nach Erdogans Drohung fern – damit, wie er sagte, zumindest seine deutschen KollegInnen die Chance hätten, dem türkischen Machthaber kritische Fragen zu stellen.
Seit dem Putschversuch im Juli 2016 wurden laut der NGO Reporter ohne Grenzen in der Türkei weit über 100 JournalistInnen verhaftet, rund 150 Medien geschlossen und mehr als 700 Presseausweise annulliert. Hierzulande hatten vor allem die Verhaftungen des «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel und der deutschen Journalistin Mesale Tolu 2017 für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Beide wurden inzwischen wieder aus der Haft entlassen.
«Die Türkei ist zurzeit das grösste Journalistengefängnis der Welt», sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. «Es ist erschreckend, was da passiert. Es geht ja nicht nur um Journalisten.» Die Repression treffe ebenso Akademikerinnen, Künstler, Richterinnen, Lehrer, Politikerinnen, Aktivisten. «Hinzu kommt die Ungewissheit», sagt Möhring. «Man weiss nie, ob und wann die Polizei vor der Tür steht. Die Türkei ist ein autoritäres Regime. Ich würde sogar sagen, es ist eine Diktatur.»
Rund 55 000 Menschen, so schätzen Menschenrechtsorganisationen, sitzen in der Türkei aufgrund ihrer politischen Überzeugungen im Gefängnis. Viele von ihnen in den «F-Typ»-Hochsicherheitsgefängnissen, die berüchtigt für ihr Haftregime sind: die viel kritisierte Isolationshaft.
Can Dündar beschreibt in seinem Buch «Ein Leben lang für die Freiheit», wie die türkischen Gefängnisse einst als politische Bildungsstätten fungierten – ob ihrer grossen Anzahl an revolutionären und intellektuellen Inhaftierten. Und er schildert, wie der türkische Staat genau deswegen seit den nuller Jahren auf Hochsicherheitsgefängnisse und Isolationshaft setzt, um die Kontakte unter den Gefangenen zu verhindern. «Der Staat steckt den ihm ausgelieferten Häftling in Isolationshaft im ‹F-Typ›-Gefängnis und macht die Bestrafung zur Tortur», schreibt Dündar, der heute online und als Kolumnist publiziert.
«‹F-Typ› bedeutet: im besten Fall immer zu dritt. Und wenn man Pech hat, Einzelhaft», schreibt Deniz Yücel über seine Zeit in Haft. Er sass, wie Dündar, im «F-Typ»-Gefängnis Silivri in der Nähe von Istanbul. Auch der derzeit in der Türkei inhaftierte österreichische Journalist Max Zirngast sitzt in einem «F-Typ»-Gefängnis (vgl. «Die Terrorzelle, die es nicht gibt» ). Bislang aber in einer Dreierzelle, wie es nach Informationen von Reporter ohne Grenzen heisst.