Steuerwettbewerb: Ein GAU für linke Realpolitik
Der radikale Stellenabbau bei Novartis kommt für die SP-RegierungsrätInnen in Basel-Stadt nicht zum besten Zeitpunkt: Die Umsetzung der kantonalen Steuervorlage steht auf dem Spiel.
Juso-Präsidentin Tamara Funiciello hält dieser Tage nicht viel von ihrer Mutterpartei, das machte sie vergangenen Samstag an der SP-Delegiertenversammlung in Olten klar: Die SP kämpfe mit dem Steuer-AHV-Deal für eine Vorlage, die unter dem Strich weniger Geld in die Staatskassen bringe. Das tue sie «gegen die Gewerkschaften, die SP-Frauen, die Grünen, die Juso und für – die Novartis».
Tatsächlich schreibt der zweitgrösste Schweizer Pharmakonzern Milliardengewinne, kann aber auch mit dem neuen Deal mit steuerlichen Privilegien rechnen. Gleichzeitig begründet er den bisher grössten Stellenabbau in seiner Geschichte mit wirtschaftlicher Effizienzsteigerung. Es zählen Zahlen, Existenzen kaum. Insbesondere das Ausmass schockiert: 2150 Stellen aus dem Produktions- und Servicebereich werden in den kommenden vier Jahren abgebaut. 450 neue Stellen sollen geschaffen werden, besetzt werden diese aber voraussichtlich mit externen SpezialistInnen.
Spardruck droht
Für die rot-grün dominierte Basler Regierung muss der Entscheid von Novartis wie ein Schlag in die Magengrube gewirkt haben. Parallel zur nationalen Steuervorlage hatte sie eine kantonale Umsetzung ausgearbeitet, mit der sich internationale Konzerne und besonders auch die grossen Basler Pharmaunternehmen ähnliche Steuervorteile wie bisher sichern können: den «Basler Kompromiss». Dagegen hat die linksalternative Partei BastA! das Referendum ergriffen. Die SP gerät nach dem Entscheid von Novartis in Erklärungsnot: Warum soll der «Kompromiss» – mit Mindereinnahmen von rund 150 Millionen Franken für den Kanton – in Kauf genommen werden, während gleichzeitig Arbeitsplätze abgebaut werden? Mit linken Themen und der Frage, wie man eine soziale Gesellschaft bauen wolle, habe das nicht viel zu tun, meint Franziska Stier, Parteisekretärin von BastA!.
Die Geschichte um den «Basler Kompromiss» zeigt, wie verstrickt die Beziehungen von Basel-Stadt zur Life-Science-Industrie sind und wie sehr man am Tropf der Branche hängt. Im Mai kam ein vertrauliches Dokument an die Öffentlichkeit, in dem sich verschiedene Basler Parteien zur Annahme des kantonalen Umsetzungsplans verpflichteten, mit gegenseitigen Zugeständnissen: einer Gewinnsteuersenkung für die Rechten, Steuererleichterungen für Privatpersonen für Rot-Grün.
Auch wenn die nationale Vorlage im Mai 2019 an der Urne scheitern sollte, will SP-Finanzdirektorin Eva Herzog die kantonale Version durchsetzen. Das könnte heikel werden: Nur mit der nationalen Annahme werden die Steuerausfälle mit Ausgleichszahlungen durch den Bund entlastet. Der Spardruck würde massiv – wie üblich zulasten von Bildung und Gesundheit.
Pharma als Klumpenrisiko
Die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber dem «Kompromiss» könnte mit dem Radikalschlag von Novartis kippen, das hofft zumindest Stier. BastA! hat als einzige Partei das Dokument von Eva Herzog nicht unterschrieben. Auf den «Angstdiskurs» über einen vermeintlichen Verlust der Standortattraktivität für Multis wolle man nicht einsteigen.
Überhaupt werde die Debatte verengt geführt, meint auch Thomas Leuzinger, Sprecher der Unia Nordwestschweiz. Nicht alleine die Steuerfrage sei ausschlaggebend für einen attraktiven Standort, Kriterien wie Erreichbarkeit oder Rechtssicherheit spielten auch eine Rolle. Als Problem sieht er die wirtschaftliche Konzentration Basels auf die Pharmaindustrie. Sie würde mit der Annahme der Vorlage nur zementiert. Diese sei zwar historisch gewachsen, sagt Tonja Zürcher, Präsidentin von BastA!, sei aber auch bewusst gefördert worden – gerade an den Hochschulen und mit der Steuerpolitik. Sie sieht die Verlagerung von Arbeitsplätzen an billigere Standorte als logische Konsequenz eines globalisierten Kapitalismus: «Die Selbstverständlichkeit, dass die Pharmaindustrie in Basel Arbeitsplätze bereithält, insbesondere auch für Studienabgängerinnen, ist weg.»
Derweil bedauert SP-Regierungsrat Christoph Brutschin den Entscheid von Novartis zwar, sagt aber auch: «Die Life-Science-Industrie liefert rund 36 Prozent des kantonalen Inlandsprodukts. Und es arbeiten rund 10 Prozent aller Beschäftigten dort. Von einem Klumpenrisiko kann man daher nicht sprechen.» Fragt sich nur, ab wann ein Klumpen ein Klumpen ist.