Auf allen Kanälen: Wie im Mafiafilm

Nr. 50 –

In Ungarn ist ein neuer regierungsnaher Medienkonzern entstanden – durch Schenkungen von Orban-nahen Geschäftsleuten. Ein Zeichen dafür, dass Ungarn zum Einmannstaat geworden ist.

Ungarns Premier Viktor Orban liebt nach eigenem Bekunden Wildwest- und Mafiafilme. Sein neuster Coup ähnelt einem Szenario aus diesem Genre – so jedenfalls sehen es unabhängige MedienexpertInnen im Land.

Ende November übergaben ungarische UnternehmerInnen, die Orban nahestehen, nahezu ihre gesamten Presseunternehmen einer neu gegründeten, von Regierungsvertretern geführten Medienstiftung namens Mitteleuropäische Presse- und Medienstiftung – eine Schenkung ohne irgendeine Gegenleistung. Darunter sind Fernseh- und Radiosender, Zeitungen, Magazine und Onlineportale – insgesamt 476 Titel, die fast das gesamte Spektrum des privaten regierungsnahen Medienmarkts in Ungarn repräsentieren.

Zwei führende ungarische ExpertInnen für Medienanalyse, Agnes Urban und Gabor Polyak von der NGO Mertek – Mediaelemzö Mühely, schreiben dazu einigermassen verblüfft: «Dass verschiedene Unternehmer ihre Firmen, die viele Millionen wert sind, alle gleichzeitig einer Stiftung übergeben, gibt es sonst nirgends auf der Welt. Das geschieht eher in Mafiafilmen als im Geschäftsleben.»

Orbans Dekret

Eine derartige Konzentration von Medien muss nach ungarischem Gesetz von der Wettbewerbsbehörde GVH geprüft werden. Doch Orban unterzeichnete vergangene Woche ein Dekret, laut dem die Stiftung von «nationaler strategischer Bedeutung» sei, womit er eine kartellrechtliche Überprüfung verhindert. Das ist pikant: In anderen Fällen spielte die GVH eine wichtige Rolle bei Plänen der Orban-Regierung, unabhängige Medien zu zerschlagen.

An der regierungsnahen Orientierung der neuen Stiftung besteht kein Zweifel. Geleitet wird sie von Gabor Liszkay, einem Medienmanager, der dem Premier treu ergeben ist und viele Jahre lang Geschäftsführer verschiedener Medien war, die Orbans Partei Fidesz nahestehen. Zuletzt fungierte Liszkay formal als Besitzer der Tageszeitung «Magyar Idök», des Sprachrohrs der Orban-Regierung schlechthin. Zudem sind mehrere Fidesz-Politiker Mitglieder im Kuratorium der Stiftung, etwa der Abgeordnete Istvan Bajkai, der lange Zeit Anwalt der Orban-Familie war.

Inhaltlich wäre eine Zentralisierung der ohnehin bedingungslos regierungstreuen Medien nicht notwendig gewesen. Orban hat mit der Gründung des neuen Mediengiganten jedoch die Lehre aus dem Desaster mit seinem Jugendfreund Lajos Simicska gezogen: Simicska war zwei Jahrzehnte lang graue Eminenz der Orban-Partei und hatte für sie ein Medienimperium aufgebaut – mit ihm als Eigentümer. 2015 zerstritten sich Orban und Simicska, worauf Simicskas Medien sich über Nacht zu Orban-Kritikern wandelten.

«Nur Strohmänner»

Zwar besitzt keiner von Orbans jetzigen Günstlingen das Format und die Ambitionen von Simicska. Da ist beispielsweise Lörinc Meszaros, Exbürgermeister in Orbans Heimatdorf, ehemaliger Gasheizungsmonteur und heute einer der reichsten UngarInnen. Er ist unternehmerisch nur mässig begabt, hegt keinen politischen Ehrgeiz und hat seinen wundersamen Aufstieg «dem lieben Gott und Viktor Orban» zu verdanken, wie er einmal zugab.

Doch Orban fürchtet seit längerem, bisweilen fast panisch, einen Machtverlust, wie ihm manche seiner intimen Kenner attestieren. Auch gibt es Rivalitäten zwischen jenen Geschäftsleuten. Insofern ist die neue Medienstiftung für Orban eine Vorsichtsmassnahme. Zudem dürfte es auch um mehr Effizienz gehen: Orban soll sich geärgert haben, dass aus den überwiegend defizitären regierungsnahen Medien, die grossenteils mit staatlichen Werbegeldern am Leben gehalten werden, zu viel Geld an die Eigentümer abgeflossen sei.

Dem bekannten ungarischen Investigativjournalisten Attila Mong erscheint die Sache folgerichtig: «Diese Geschäftsleute sind nur Strohmänner von Orbans Gnaden. Mit der Schenkung ist klar geworden, dass Orban nicht einmal mehr Wert auf den äusseren Anschein legt.» Und der linke Philosoph Gaspar Miklos Tamas schreibt, dass Ungarn inzwischen eine Art Einmannstaat geworden sei: «Man hat das Eigentum seinem wahren Besitzer zurückgegeben. Diese millionenschweren Grosskapitalisten wagten keinen Widerstand. Sie fürchten sich. Es ist dieselbe Furcht wie bei jedem Beamten: Furcht vor der Entlassung.»