Brand in Solothurn: Bevor das Mitgefühl wegschlummert

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Sämtliche Bänke der St.-Ursen-Kathedrale in Solothurn waren am 8. Dezember 2018 besetzt. Über 800 BesucherInnen waren gekommen, um der Opfer der Brandkatastrophe Ende November zu gedenken. Unter den Toten der beiden asylsuchenden Familien aus Äthiopien und Eritrea waren auch drei Kinder. In ihrer Rede sprach Regierungsrätin Susanne Schaffner von einer grossen Solidarität über die Grenzen der politischen Einstellungen hinweg.

Eine Gelegenheit, den Worten Taten folgen zu lassen, bevor das solidarische Mitgefühl wieder wegschlummert, folgt am 18. Dezember an der Gemeindeversammlung Solothurn: Dann wird über eine Motion von Christian Baur abgestimmt, der sich seit Jahren für ein grösseres Engagement der wohlhabenden Stadt gegenüber Geflüchteten einsetzt. Der Vorschlag beinhaltet eine jährliche Spende von 250 000 Franken über die nächsten fünf Jahre zugunsten von Menschen auf der Flucht. Dieser Betrag macht weniger als ein Prozent des Gemeindevermögens aus. Momentan beträgt es 154,5 Millionen Franken.

Die Stadt Solothurn solle zudem dem Bund signalisieren, im Bedarfsfall bis zu 25 Prozent mehr Asylsuchende aufzunehmen, als der Verteilschlüssel des Kantons vorsieht. In der Vergangenheit hatte die Gemeindeversammlung mehrere ähnliche Motionen abgelehnt, auf Anraten von Stadtpräsident Kurt Fluri. Er argumentierte, die Unterbringung von Asylsuchenden werde vom Bund und den Kantonen geregelt.

Städte können aber sehr wohl eigenständige politische Zeichen setzen, und genau darum geht es in der neuen Motion. Sachzwänge sind schlechte Argumente angesichts der Notlage von 68,5 Millionen Flüchtlingen weltweit. Nicht nur Städte wie Palermo, New York, Amsterdam, Barcelona oder Berlin haben derartige Signale gegen die Migrationspolitik der jeweiligen Nationalstaaten gesetzt und loten ihren juristischen Spielraum aus. Auch in Schweizer Städten bewegt sich in dieser Hinsicht einiges. Denn für das viertreichste Land der Welt sollte gelten: Wohlstand verpflichtet.