Pressefreiheit 2018: Wenn Recherche als Verrat gilt
Für die Pressefreiheit war 2018 wahrlich kein gutes Jahr. Über achtzig JournalistInnen mussten ihre Recherchen in den vergangenen zwölf Monaten mit dem Leben bezahlen – längst nicht nur in den Kriegsgebieten dieser Welt, sondern auch mitten in Europa. So musste Jan Kuciak in der Slowakei sterben, weil er Filz und Korruption aufdeckte. Das prominenteste Beispiel aber ist Jamal Khashoggi, der von Schergen des saudischen Regimes ermordet wurde, weil seine Texte und Kolumnen am Königshof missfielen.
Auch dort, wo ihr Leben nicht unmittelbar in Gefahr ist, bleiben die ChronistInnen bedroht. Fast 350 von ihnen sitzen derzeit in Haft – allen voran in der Türkei, die als weltweit grösstes Gefängnis für Medienschaffende gilt.
Unter Druck ist die Freiheit der Presse indes auch in den USA, wo kein Tag vergeht, an dem der Präsident nicht gegen unliebsame Medien wettert, ReporterInnen an ihrer Arbeit hindert, sie als «Feinde des Volkes» diffamiert. Oder in Ungarn, wo ein Gesetz nach dem anderen verabschiedet wird, das die Finanzierung der Medien und ihre Unabhängigkeit beschneidet.
In Deutschland wird derweil unter williger Mithilfe der Zürcher Staatsanwaltschaft gegen den Chef des Onlineportals «Correctiv» ermittelt. Recherchiert hatten er und sein internationales Team zu einem milliardenschweren Steuerbetrug, der in seinen Ausmassen einzigartig ist. In den Augen der Behörden kommen die Recherchen gegen Banken jedoch einem «Geheimnisverrat» gleich.
Die Pressefreiheit ist aber nicht bloss durch autoritäre Gesetze gefährdet, auch ökonomischer Druck höhlt sie aus. Hinzu kommt, dass digitaler Wandel und populistische Kampagnen den Medientiteln zusetzen. Wo Verlage fusionieren und Blätter dichtmachen müssen, wo tragfähige Finanzierungsmodelle fehlen und die Ideologie überhandnimmt, bleibt die Qualität auf der Strecke. Und wo Geld für Journalismus fehlt, wird die inhaltliche Einflussnahme – sei es von Parteien, Behörden oder Konzernen – immer häufiger. Vom Abbau bei der Nachrichtenagentur SDA bis zur Monopolisierung der Tageszeitungen: Auch in der Schweiz gehen Hunderte von Stellen im Journalismus verloren. Die Krise der Schweizer Medien, sie ist vor allem eine Krise ihrer Finanzierung.
Was aus der fatalen Entwicklung unweigerlich folgt, ist eine Krise der Fakten. Wenn Medien keine Einordnung mehr bieten, alles nebeneinander und zugleich stattfinden kann, wenn Berichterstattung den Interessen weniger folgt und jedeR alles im Netz als Tatsachen verkaufen kann, wird Verwirrung gestiftet, bis Fakten nicht mehr als solche erkennbar sind, der Sinn für richtig und falsch völlig verloren geht. Wenn eine Gesellschaft keinen gemeinsamen Bezugsrahmen mehr hat, nichts mehr als wahr anerkannt wird, wird plötzlich alles verhandelbar und damit infrage gestellt – bis hin zu den Menschenrechten.
Um das Verhältnis zwischen Fakten und Meinungen sorgte sich Ende der sechziger Jahre schon die Philosophin Hannah Arendt. «Die Wahrheit steht im Gegensatz zur Meinung jenseits von Vereinbarungen. Sie verändert sich nicht mit der Anzahl derjenigen, die sie akzeptieren», schrieb sie damals in einem Essay.
Doch auch in diesem Jahr voller Rückschläge gab es Anlass zur Hoffnung: Nach dem Mord an der maltesischen Reporterin Daphne Galizia schlossen sich europaweit Medienhäuser zusammen, führten Galizias Recherchen weiter und zeigten, dass man zwar JournalistInnen töten, jedoch nicht ihre Geschichten zum Verschwinden bringen kann. Auch bei der Finanzierung stimmt etwas zuversichtlich, das inmitten der medialen Hiobsbotschaften fast vergessen scheint: Im Februar haben die Schweizer BürgerInnen mit über siebzig Prozent gegen die No-Billag-Initiative gestimmt. Sie traten den falschen Versprechen der RechtspopulistInnen entgegen. Und entschieden sich für den Service public.