Schweizer Banken in Saudi-Arabien: Die Lieblingsislamisten des Finanzministers
Während die SVP in der Schweiz den Islam als Feindbild an die Wand malt, treibt ihr Bundesrat Ueli Maurer das Geschäft mit dem islamistischen Bollwerk Saudi-Arabien voran. Es geht um einen Billionenmarkt für die Schweizer Finanzinstitute.
Bundespräsident Ueli Maurer gehört zu jener SVP-Clique, die die Volkspartei in den letzten Jahrzehnten radikal umgebaut hat. In dieser Zeit wuchs der Islam zunehmend zum Feindbild heran, erst kürzlich reichten SVP-Leute eine Initiative für ein Burkaverbot ein. Bereits 2009 brachten sie ein Minarettverbot an der Urne durch, das Maurer damals als «ein gutes Zeichen» begrüsste.
Ausgerechnet Maurer sagte nun über den saudischen Finanzminister Muhammad al-Dschadan, den er am Weltwirtschaftsforum in Davos traf, dieser sei «schon fast ein Freund». Und dass er den Fall des Journalisten Jamal Khashoggi, der im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde, mit dem Finanzminister «schon lange abgehandelt» habe. Nun gehe es darum, den Dialog über den Zugang der Schweizer Banken zum saudischen Markt weiterzuführen. Seither steht Maurer in der Kritik, auch von rechts. Am Wochenende präzisierte er, dass der Fall nur zwischen ihm und Dschadan abgehandelt sei, nicht jedoch für den Bundesrat als Ganzes.
Die saudischen Vermögen rufen
Doch die Widersprüche, in die sich Maurer verstrickt, liegen tiefer. Auch wenn es den Fall Khashoggi nie gegeben hätte: Der Staat von Kronprinz Muhammad Bin Salman ist die Bastion jenes fundamentalistischen Islam, den die SVP sämtlichen hier lebenden MuslimInnen andichtet. Der Staat gründet in einem 1744 vereinbarten Pakt zwischen der Königsfamilie Saud und dem wahhabitischen Klerus – einem Pakt zwischen Schwert und Koran. Es ist ein Staat, in dem laut Amnesty International trotz zögerlicher Reformen Menschen wegen «Hexerei» und Ehebruch öffentlich mit dem Schwert der Kopf abgetrennt wird, Regimekritiker gefoltert, SchiitInnen unterdrückt werden und Frauen ohne Erlaubnis ihres Ehemanns nicht aus dem Haus dürfen.
Während die SVP auf der Strasse Stimmung gegen MuslimInnen macht, treibt die ehemalige Gewerblerpartei im Bundeshaus inzwischen vor allem die Interessen grosser Firmen voran. Freisinnige werden in Sachen Steuern und Finanzregulierung regelmässig von Ems-Erbin Magdalena Martullo-Blocher, Banker Thomas Matter oder Unternehmensberater Thomas Aeschi rechts überholt; unterstützt wird die Partei von Leuten wie Financier Tito Tettamanti, Ex-UBS-Chef Marcel Ospel oder Swisslife-Präsident Rolf Dörig. Nach dem Finanzdepartement brachte die SVP vergangenen Dezember mit Guy Parmelin zudem auch das Wirtschaftsdepartement unter ihre Kontrolle.
Hinter Maurers Rücken stehen die Schweizer Banken, die weiter in den saudischen Markt eindringen wollen. Seit der Finanzkrise 2008 hat ihr Investmentbanking an Glanz verloren, die rekordtiefen Zinsen drücken auf die Margen, und der Vorteil des Bankgeheimnisses ist ebenfalls passé. Nun sind die Banken auf der Suche nach neuen Märkten, wo sie die Superreichen mit ihren Vermögen für sich zu gewinnen suchen. Und da verspricht Saudi-Arabien einiges: Das 15 000-köpfige Königshaus, das seit 1938 vom sprudelnden Erdöl profitiert, gilt als reichste Königsfamilie der Welt. Gemäss verschiedenen Schätzungen beläuft sich ihr Vermögen auf über tausend Milliarden US-Dollar.
Die UBS hat kurz nach der Finanzkrise eine Filiale in Riad eröffnet, und auch die Credit Suisse (CS) ist vor Ort. Vor allem seit Kronprinz Muhammad Bin Salman Mitte 2017 die Macht übernommen hat, bauen die Banken ihr Geschäft nun weiter aus. Der Kronprinz lockt mit Liberalisierungen. Die UBS gibt sich auf Nachfrage zugeknöpft, die CS verweigert gar jegliche Aussage. Ende 2017 sagte die UBS jedoch der «Financial Times», dass sie die Anzahl Mitarbeitende in Saudi-Arabien verdoppeln wolle. Und auch die CS hat wiederholt erklärt, im Land zu expandieren. CS-CEO Tidjane Thiam sass gar im Verwaltungsrat des Investitionsforums «Davos in the Desert», zu dem der Kronprinz kürzlich lud. Erst als der Fall Khashoggi aufflog, sagte Thiam seine Teilnahme am Forum ab.
Doch die Khashoggi-Geschichte ist für die Schweizer Firmen inzwischen abgehakt, wie ein Insider der schweizerisch-saudischen Geschäftsbeziehungen weiss. Der Appetit auf den Boommarkt sei ungebremst. Die UBS und die CS sind bereits heute dick im Geschäft: Die Agentur Bloomberg berichtete mit Verweis auf Informanten, dass die beiden zu den Banken mit den grössten saudischen Vermögen zählen.
Die Banken haben in SVP-Finanzminister Maurer einen engen Verbündeten, der ihre Geschäfte im Wüstenstaat fördert. Maurer, der bei der letzten Jahrestagung der Schweizerischen Bankiervereinigung von staatlicher «Kontrollitis» sprach, die angeblich gegenüber den Banken um sich gegriffen habe, unterhält engste Kontakte mit Bankierverbandspräsident Herbert Scheidt, mit dem er vor einem Jahr König Salman Ibn Abd al-Asis, Vater des Kronprinzen, in seinem Palast in Riad besuchte (siehe WOZ Nrn. 51 + 52 / 2018 ). Maurer nahm auch Vertreter von UBS, CS und anderen Banken mit, um ihnen Türen zu öffnen.
Über die genauen Punkte des «Finanzdialogs», den Maurer mit dem saudischen Königshaus nun weiter vorantreiben will, äussert sich sein Departement nicht. Neben einem vereinfachten Marktzugang für Schweizer Banken dürfte es auch um die Festnahmen gehen, die der Kronprinz Ende 2017 wegen angeblicher Korruption gegen Prinzen und ehemalige Regierungsmitglieder angeordnet hatte. Einige unter ihnen werden wohl auch Vermögen bei Schweizer Banken haben. Im Frühling wird Maurer eine saudische Delegation in Bern empfangen. Später im Jahr will er erneut mit BankenvertreterInnen nach Riad reisen.
Die Geschäfte mit dem saudischen Königshaus sind nicht nur aus ethischer Sicht bedenklich – weil dieses Menschen einsperrt, foltert und unterdrückt. Es ist für eine Bank auch nahezu unmöglich zu klären, wie Kunden aus der Königsfamilie zu ihrem Geld gekommen sind. Die US-Dollars, die über den staatlichen Erdölkonzern Saudi Aramco ins Land fliessen, sickern sehr wahrscheinlich über ein Geflecht undurchsichtiger Zahlungen und Geschäfte in die Königsfamilie, wie der Saudi-Arabien-Spezialist Toby Matthiesen von der Universität Oxford sagt. Diese Finanzströme seien nicht nachvollziehbar. Das Risiko, in Korruptionsfälle verwickelt zu werden, ist also enorm.
Ein riesiger Widerspruch?
Schliesslich stützen die Schweizer Banken mit ihren Geschäften jenes monarchistische, islamistische Bollwerk, das seit den sechziger Jahren versucht, jegliche demokratischen Bestrebungen in der Region im Keim zu ersticken – und derzeit mit dem Krieg im Jemen eine riesige humanitäre Katastrophe anrichtet. Dieses königliche Bollwerk finanziert zudem dank seiner gigantischen Öleinnahmen seit Jahrzehnten weltweit den islamischen Fundamentalismus, der in den achtziger Jahren im afghanischen Kampf gegen die Sowjetunion die Terrororganisation al-Kaida und letztlich auch den IS hervorgebracht hat.
Wie kann die SVP hiesige MuslimInnen, die ihre Religion friedlich leben, ausgrenzen, während ihr Bundesrat Geschäfte mit dem Bollwerk des radikalen Islam vorantreibt? Die WOZ hätte Maurer gerne irgendwann in nächster Zeit zu seiner Finanzpolitik interviewt. Dieser liess jedoch über seine Pressestelle ausrichten, dass er der WOZ kein Interview geben werde. Auch SVP-Präsident Albert Rösti wollte keine Fragen beantworten. Es gebe nichts zu kommentieren, hiess es von der Pressestelle.
Bei einigen SVP-Mitgliedern sorgt Maurer jedoch für Ärger. SVP-Nationalrat Walter Wobmann, der hinter der Burkainitiative steht, findet Maurers Politik «falsch». Sie werde intern noch zu reden geben.