Klimabewegung: Frei, jung, solidarisch

Nr. 9 –

In Bern tagte die Klimastreikbewegung, die auch organisatorisch beeindruckte. Und in Basel wird der Klimanotstand ausgerufen.

Wenn man ihnen so zuhört, vergisst man immer wieder, wie jung sie sind: Sie handeln so strukturiert und diszipliniert, dass Ältere viel von ihnen lernen können. Niemand schwingt grosse Reden, setzt sich in Szene, hält mit Nebensächlichkeiten den Saal auf. Die beiden jungen Frauen auf der Bühne moderieren deutsch und französisch, freundlich, aber straff: Herrscht Konsens? Nein? Dann geht das Traktandum zurück an die zuständige Arbeitsgruppe. Die Handzeichen, die sich seit der Occupy-Bewegung international verbreitet haben, erleichtern die Arbeit: Mit beiden Händen neben dem Kopf «wedeln» signalisiert Zustimmung, Arme vor dem Körper überkreuzen heisst Ablehnung.

Die Berner Kirchgemeinden Johannes und St. Marien haben über 300 KlimastreikaktivistInnen das ganze Wochenende Gastrecht gewährt. Am Sonntag um 16 Uhr präsentieren die jungen Leute ihre Ergebnisse aus «7  Arbeitsgruppen und 29 Unterarbeitsgruppen».

Dekarbonisierte Stadt

Sie haben viel beschlossen: sich auf die Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Solidarität geeinigt – was allgemein klingt, aber doch eine klare politische Richtung vorgibt. Sie wollen neben Schulstreiks und Demos weitere, dezentrale Aktionen organisieren. An einem Aktionskodex wird noch gearbeitet; klar ist schon: «Wir organisieren und unterstützen keine Aktionen, die darauf abzielen, Individuen zu verletzen.» Auch sonst soll nicht auf die Person gespielt werden: Man wolle niemanden emotional angreifen, sondern falsche Behauptungen mit wissenschaftlichen Fakten widerlegen, sagt ein junger Mann. Ein weiterer Beschluss: Die Bewegung gibt keine Wahlempfehlungen ab und unterstützt keine Parteien, arbeitet aber mit Menschen zusammen, die ihre Forderungen unterstützen.

In Basel-Stadt kann die Bewegung einen Erfolg verbuchen: Der Grosse Rat hat am 20. Februar den Klimanotstand ausgerufen – mit einer deutlichen Mehrheit von 71 Ja gegen 17 Nein bei 6 Enthaltungen. «Auch auf bürgerlicher Seite ist eine grosse Bereitschaft zu spüren», sagt die Parlamentarierin Jo Vergeat (Junge Grüne). «Wir müssen Basel jetzt in allen Bereichen dekarbonisieren: unter anderem die Gebäude, öffentlich-rechtliche Institutionen wie die Industriellen Werke Basel und auch die Finanzflüsse.» Vergeat hat bereits eine Motion eingereicht, die eine Klimafolgenabschätzung für alle klimarelevanten politischen Geschäfte des Stadtkantons fordert. Die junge Grüne ist erst seit diesem Monat im Parlament und mit 24     Jahren nicht viel älter als die Schulstreikenden. «Es braucht beides: Bewegungen, aber auch kritische und vor allem junge Leute in den Parlamenten», ist sie überzeugt.

Jurassische Kleinlichkeit

Ein Rückschlag ist dagegen aus Delémont zu vermelden: Am Montag hat das Stadtparlament die Motion von Camille Rebetez von der Linksallianz mit 16 zu 13  Stimmen abgelehnt – weil die SP nicht geschlossen Ja stimmte. Rebetez wollte die jurassische Hauptstadt zur Klimastadt erklären (siehe WOZ Nr. 6/2019 ). In seinem Plädoyer für ein Ja zählte er verschiedene Möglichkeiten auf, die Stadt klimafreundlicher zu machen: von der Abschaffung der Laubbläser und des 1.-August-Feuerwerks über weniger Fleisch in den Kantinen bis zur Umstellung von Beton- auf Lehmbau bei öffentlichen Bauprojekten. Danach schlug er den Bogen zum globalen Klimanotstand. An Leidenschaft mangelte es seiner Rede definitiv nicht. «Ich bin enttäuscht – von diesem auf sich selbst fixierten politischen System und von der SP», sagt Rebetez. Die vorgebrachten Argumente – etwa man wolle die Gemeindeverwaltung nicht überlasten – machen ihn wütend.

Trotz jurassischer Kleinlichkeit: Offensichtlich ist es in kurzer Zeit gelungen, Umweltpolitik zum Megathema zu machen, das auch die Bürgerlichen nicht ignorieren können, wenn sie gut ankommen wollen. Mit genügend Druck sollten Mehrheiten für griffige Umweltgesetze möglich sein – wie das letzte Mal in den achtziger Jahren.

Druck macht die junge Bewegung, die die richtigen Fragen stellt und ganz nach den «Zwölf Regeln für erfolgreichen Widerstand» agiert, die der deutsche Klimasoziologe Harald Welzer einmal aufgestellt hat. Regel eins: «Alles könnte anders sein.»