Sachbuch: Schwule Punks und elektrische Stühle

Nr. 14 –

Die lesbische Folksängerin Phranc stammt aus der Punkszene von L. A., in den Achtzigern spielt sie dort in Bands mit sprechenden Namen: Nervous Gender, Catholic Discipline. Bald geht es aggressiver zu in der Szene, Frauen und Queers bleiben weg, immer mehr Leute tragen Hakenkreuze. Also schreibt Phranc einen lupenreinen Folksong, damit ihr Text verstanden wird: «Take off your Swastikas!» Du trägst das Hakenkreuz als Provokation, aber für mich als lesbische Jüdin ist das kein Spass.

Es ist nur eine der unzähligen Geschichten in Philipp Meinerts Buch «Homopunk History». Den ersten lesbischen Punksong deutscher Zunge verortet er in Westberlin, aufm Bahnhof Zoo im Damenklo, wo sich Nina Hagen 1979 in ein Mädchen mit exquisiter Garderobe verliebt: «Dein Minirock aus Einkaufsnetz! Dein Schlüpfer mit der Queen von London drauf!»

Phranc? Folksängerin. Nina Hagen? Biedere Rockmusik mit Freakallüren. Meinert pflegt einen undogmatischen Umgang mit seinem Thema. Ob «Homo» oder «Punk», beide Begriffe legt er so weit wie möglich aus. Das Unterlaufen von Reinheitsgeboten ist eine der Stärken des Buchs, das auf fast 400 Seiten Geschichten aus den unterschiedlichsten Szenen sammelt: US-Hardcore mit homophoben Texten bei den Bad Brains, schwule Punks in der DDR, Riot Grrrls, Dykecore – so entsteht ein Sittengemälde der sexuellen Subkulturen. Dazu kommen Interviews, etwa mit dem Filmemacher Bruce La Bruce oder der lesbischen Hardcoreband Anti-Corpos aus Brasilien.

Die vielen ProtagonistInnen haben oft nur eines gemeinsam: Sie sind queer, stehen quer zur Heteronorm. Mehrere erzählen, dass ihr Leben einfacher verlaufen wäre, hätten sie Begriffe wie «queer» oder «trans» gekannt. Wie Jayne County, die Sängerin der Electric Chairs. Die ersten Jahrzehnte lebt sie als Wayne, als Mann, der gerne Frauenkleider trägt. Dann entdeckt er den passenden Wortcontainer für sich, und aus Wayne wird Jayne. Die erste Trans-Rocksängerin weiss jahrzehntelang nicht, dass sie trans ist, weil sie den Begriff nicht kennt!

Philipp Meinert: Homopunk History. Ventil-Verlag. Mainz 2018. 400 Seiten. 32 Franken