Liberale Klimaleugner: Das Netzwerk der «kreativen Zerstörer»

Nr. 32 –

Lange haben neoliberale Denkfabriken wie das Liberale Institut in Zürich die menschengemachte Klimaerhitzung geleugnet. Plötzlich gibt es nun eine zweite Position: Weiterhin Skepsis zeigen – und zugleich auf die kapitalistische Anpassungsfähigkeit setzen.

Der Markt wird ihn dann schon irgendwie löschen: Brennender Wald in Sibirien, 4. August. FOTO: DONAT SOROKIN, GETTY

Sie nennen sich «Liberale», doch was sie auszeichnet, ist neben einer Abneigung gegen jegliche Form von Staatseingriffen in die Wirtschaft eine schon fast fanatische Verleugnung der menschengemachten Klimaerhitzung. Dabei verfügen die ExponentInnen des 1979 von der FDP der Stadt Zürich gegründeten Liberalen Instituts über beträchtlichen Einfluss. Mitarbeiterinnen, StiftungsrätInnen und (die ausschliesslich männlichen) Vertreter des wissenschaftlichen Beirats sind bestens vernetzt und schreiben immer wieder in Publikationen wie der «Weltwoche», der «Basler Zeitung», dem «Schweizer Monat» sowie auch in Titeln von CH Media und in der NZZ.

So schrieb jüngst Robert Nef, der langjährige Direktor des Instituts und heutige Stiftungsrat, in der NZZ, dass sich das «Klima seit je weltweit verändert hat und nicht so schnell kollabiert». Nicht das «natürliche Klima» bedrohe die Jugend, sondern das «politische und soziale Klima» der zunehmend regulierten und somit «staatsabhängigen» Kultur und Wirtschaft.

Geld vom US-Ölkonzern

Nef, der 2017 von den Jungfreisinnigen des Kantons Zürich im Zürcher «Kosmos» mit einem «Liberal Award» ausgezeichnet wurde, ist laut NZZ ein «zielsicherer und scharfzüngiger» Kämpfer gegen «die Übermacht des Staates». 2012 haben ihn über sechzig AutorInnen in einer Festschrift anlässlich seines 70. Geburtstags geehrt – von Christoph Blocher über Tito Tettamanti und Konrad Hummler bis zu Filippo Leutenegger. Nef war schon da ein Klimaleugner: 2009 hatte er im Vorfeld der Klimakonferenz in Kopenhagen ein Papier mit dem Titel «Die Klimakatastrophe findet nicht statt» unterzeichnet. Darin heisst es, für die Konferenz fehle «die wissenschaftliche Grundlage». Denn: «Das Klima weigert sich, wärmer zu werden.» Der Diskurs sei von «Horrorgeschichten» bestimmt, von «Alarmisten» und «Horrorszenarien». Da die Natur das Klima bestimme, gebe es weder einen Grund, die CO2-Emissionen zu reduzieren, noch für andere «Zwangsmassnahmen, steuerliche Belastungen und Regulierungen auf nationaler und globaler Ebene».

Mitunterzeichner des Papiers waren auch Pierre Bessard, der heutige Direktor des Liberalen Instituts, sowie der deutsche Kohlelobbyist Gerd-Rainer Weber, der Schweizer AKW-Ingenieur Ferruccio Ferroni und der US-amerikanische Atmosphärenphysiker Fred Singer. Dieser hatte 2004 die Klimaleugnerorganisation Non Governmental International Panel on Climate Change (NIPCC) gegründet, die mindestens bis 2013 von der neokonservativen US-Denkfabrik Heartland Institute finanziert wurde. Das Heartland Institute gilt als die führende US-Organisation, die Zweifel an der menschengemachten Klimaerhitzung verbreitet. Nicht von ungefähr wird das Institut vom US-Ölkonzern Exxon, den Ölmilliardären Charles und David Koch wie auch vom texanischen Trump-Unterstützer und Milliardär Robert Mercer mitfinanziert (siehe WOZ Nr. 6/18 ).

Bessard ist laut eigenen Angaben noch heute im Vorstand des Schweizer Ablegers des NIPCC, auch wenn dessen Aktivitäten derzeit gering seien, wie er selber sagt. Zu den Aussagen von 2009, dass es keinen Grund gebe, die CO2-Emissionen zu reduzieren, stehe er weiterhin. So schreibt er auf Anfrage: «Die nicht politisierte Wissenschaft erlaubt keinen anderen Schluss.» Und weiter: «Wenn menschliche Aktivität einen direkten Einfluss auf das Klima hat, ist dieser Einfluss äusserst gering im Vergleich zu natürlichen Faktoren.»

Wieso können Ultraliberale nicht den breiten wissenschaftlichen Konsens von NaturwissenschaftlerInnen bezüglich der Erderhitzung akzeptieren? Liberalismus sollte doch auf Wissenschaftlichkeit und Logik basieren. Bessard schreibt dazu: «Ein Konsens ist kein Beweis, sondern beruht auf Modellen und Schätzungen. Es gibt eben keine Einstimmigkeit und Eindeutigkeit.» Und weiter: «Was die Liberalen stört, ist die Instrumentalisierung des Klimas, um die Wirtschaftsfreiheit in Frage zu stellen.»

Um das geht es also: Weil die Klimakatastrophe Staatseingriffe erfordert, darf es die Klimakatastrophe nicht geben. Aber was macht man als Klimaleugner angesichts des heissesten Junis seit Menschengedenken in diesem Jahr oder der derzeit brennenden Wälder rund um die Arktis? Man radikalisiert den Liberalismus weiter. Das zumindest lässt ein Papier erahnen, das das Liberale Institut im Juli auf seiner Website aufgeschaltet hat. Autor ist Fred Smith, ein bislang notorischer Leugner der menschengemachten Klimaerhitzung. In den USA hatte er 1984 das Competitive Enterprise Institute gegründet, das gegen schärfere Klimagesetze lobbyiert und dem er bis 2013 als Präsident vorstand. Auch dieses wird laut «New York Times» von Ölkonzernen, Kohleunternehmen und den Koch-Brüdern finanziell unterstützt. Nun fordert Smith in seiner Schrift «Für einen liberalen Umweltschutz» die Anpassung an den Klimawandel.

Anpassen statt bekämpfen

Seine Argumentation lautet: Dass der Staat oder gar eine überstaatliche Organisation angesichts des Klimawandels eingreife, sei völlig falsch. Der gigantische CO2-Ausstoss sei kein Marktversagen im Kapitalismus, sondern das Versagen des «Systems der Eigentumsrechte». Es gelte also diese zu stärken, dann würde die Menschheit kreative Wege finden, Eigentumsrechte «auf die ökologische Sphäre auszuweiten». Smith kann in seinem Papier nicht darlegen, wie ein solcher Weg aussehen könnte. Letztlich müsse man sich eben anpassen und auf die technologische Entwicklung bauen: «Die durch die ökonomische Freiheit ermöglichte kreative Zerstörung ist der einzige Weg der Menschheit zu echter Nachhaltigkeit.»

Kreative Zerstörung? Will Smith Wälder abbrennen, den Meeresspiegel ansteigen und weite Landstriche veröden lassen, damit sich daraus der Kapitalismus erneuert? Bessard versteht unter dem Begriff «innovative unternehmerische Lösungen, die ehemalige Gewissheiten ersetzen». Doch auch für Bessard ist klar: Die Antwort auf den Klimawandel lautet «Anpassung statt Bekämpfung».

Die Thesen des Liberalen Instituts wie auch die von Smith und des Heartland Institute sind offensichtlich ganz im Sinn der fossilen Industrie, die so eine Art ideologische Schützenhilfe erhält. Sie soll weiter ungehindert Profite aus Kohle, Öl und Gas schlagen. Werden sie deshalb von ihnen finanziert? Bessard weist das als «Unterstellung» zurück. Das Heartland Institute agiere auf «Grundlage fundierter Wissenschaft» und «ethischer Überzeugung ihrer Exponenten». Sie seien nicht käuflich. Über die GeldgeberInnen des Liberalen Instituts will er keine Angaben machen. Keine einzelne Spende mache über zehn Prozent des Budgets aus. Es werde von 700 Einzelpersonen, Förderstiftungen und Firmen aus der Schweiz getragen.

«Neureligiöse Höllenangst»

Angesichts der Extrempositionen des Liberalen Instituts erstaunt es, mit welch renommierten Namen der wissenschaftliche Beirat bestückt ist. So findet sich darunter Charles Blankart, Wirtschaftsprofessor an der Humboldt-Universität Berlin und Gastprofessor der Uni Luzern, der auch im wissenschaftlichen Beirat der deutschen Bundesregierung sitzt und eine Zeit lang (vor ihrem weiteren Rechtsrutsch) die AfD beraten hatte. Blankart behauptete gegenüber der «Süddeutschen Zeitung», die Klimawissenschaft basiere «nur auf Vermutungen». Wie etwa auch Nef und Bessard ist er Mitglied diverser internationaler ultraliberaler Vereinigungen wie der Mont Pèlerin Society sowie der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft.

Aus Letzterer haben sich in den vergangenen Jahren Liberale wie der frühere NZZ-Wirtschaftschef Gerhard Schwarz und die Wirtschaftswissenschaftlerin und Publizistin Karen Horn zurückgezogen, weil sich dort mit VertreterInnen aus der AfD und der Neuen Rechten rechtsnationales Gedankengut und – so heisst es in einer gemeinsamen Erklärung – «ein politisches Milieu» breitgemacht habe, das «mit den Zielen einer wissenschaftlichen Gesellschaft nicht mehr vereinbar ist». Verblieben sind neben diversen AfD-Mitgliedern auch die ExponentInnen des Liberalen Instituts sowie etwa SVP-Mann Roger Köppel und NZZ-Feuilleton-Chef René Scheu.

Ebenfalls im wissenschaftlichen Beirat des Liberalen Instituts sitzt Silvio Borner. Er ist in der Klimafrage gemässigter als etwa Bessard, doch sein Einfluss wohl ungleich grösser: Der emeritierte Basler Wirtschaftsprofessor verfasst sowohl für die «Basler Zeitung» wie auch in der «Weltwoche» regelmässig Beiträge und publiziert auch immer wieder in der NZZ. Borner ist ein Klimaskeptiker und Verharmloser. So schrieb er 2016 in einem NZZ-Gastkommentar, dass es schon immer extreme Klimaschwankungen gegeben habe und der CO2-Ausstoss nur «ein Faktor unter vielen» sei. In der «Weltwoche» schrieb er 2018 von einer «neureligiösen Höllenangst» in Bezug auf den Klimawandel. Wenn ein Grad Erderwärmung mit «gewaltigen wirtschaftlichen Fortschritten» einhergegangen sei, könne ein weiteres Grad doch nicht «in den Weltuntergang» führen. Und in der «Basler Zeitung» gab er im Februar 2019 zum Besten, dass die eingeschlagene Klimapolitik schädlicher für die Menschheit sei als die Erderhitzung. Angesichts der SchülerInnenstreiks müsse man die Kinder vor «einer quasi-religiösen links-grünen Lehrerschaft sowie vor geldstrotzenden NGOs schützen, die zu Demonstrationen anstiften, statt fachlich seriös zu informieren».

Borner gibt sich im Gespräch ausgesprochen freundlich. Für ihn als Liberalen sei dieses Konsensdenken um die Klimaforschung ein «No-Go». Er lehnt allerdings staatlichen Einfluss in der Klimafrage nicht ab: «Es ist richtig, dass CO2 einen Preis bekommt. Das Beste wäre, wenn die Schweiz im Emissionshandel der EU mitmachen würde», sagt er. Doch er befürchtet in der Klimapolitik eine «ökologisch-internationale Planwirtschaft» beziehungsweise, dass «Uno-Bürokraten mehr Einfluss bekommen».

An der Basler Uni, wo der 78-Jährige immer noch ein Büro hat, organisierte Borner im Januar eine Veranstaltung mit dem deutschen Klimaleugner Horst-Joachim Lüdecke. Lüdecke ist Pressesprecher des Europäischen Instituts für Klima und Energie, einer zentralen Plattform der Szene, die gerne von der AfD zitiert wird. Auf Druck der Unileitung musste Borner schliesslich das Unilogo von der Einladung entfernen.

Auch sonst geht Borner gegenüber KlimaleugnerInnen kaum auf Distanz und begründet das mit Verweis auf die Meinungsvielfalt. Auf der Website des von ihm gegründeten «Think Tank» Carnot-Cournot-Netzwerk wird etwa die Kompetenz und Glaubwürdigkeit des bekannten Klimaforschers Reto Knutti infrage gestellt. Zudem wird ein Papier des heute 86-jährigen emeritierten ETH-Professors Franz-Karl Reinhart auf der Website publiziert. Reinhart hatte sich in seiner beruflichen Karriere vor allem mit Optik befasst. In seiner Schrift behauptet er kühn, CO2 habe überhaupt keinen Effekt auf das Klima.

Wie ein von keiner wissenschaftlichen Instanz geprüftes Papier dennoch aufgegriffen wird und in die politische Debatte fliesst, zeigte sich kürzlich in einer Facebook-Werbung des SVP-Schwergewichts Thomas Matter, der im Herbst als Nationalrat wiedergewählt werden will. Matter behauptet da in einem Videobeitrag mit Verweis auf die «glasklare Analyse» von «Professor Reinhart», dass offensichtlich «die Ursachen der Erderwärmung nicht geklärt sind». Und weiter zitiert Matter Reinhart mit ernster Miene: «Massnahmen zur Kontrolle des CO2-Ausstosses und der Erdtemperatur sind ungeeignete, sogar gefährliche Mittel.»

Erstmals global

Zwei aktuelle Studien des Geographischen Instituts und des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung (beide Uni Bern) kommen zum Schluss, dass die gegenwärtige Klimaerhitzung einzigartig ist: Zum einen findet sie global gleichzeitig statt – zum anderen so schnell wie nie seit mindestens 2000 Jahren.

Bislang ging man davon aus, dass es sich bei der Mittelalterlichen Warmzeit (circa 700 bis 1400) um ein globales Phänomen handelte. Nun zeigt sich, dass sich für die vergangenen 2000 Jahre keine einheitlichen Warm- und Kaltphasen nachweisen lassen – mit Ausnahme der jetzigen.