Auf allen Kanälen: Ein Hashtag für die Hommes fragiles
Auf Twitter schreiben UserInnen unter dem Hashtag #dichterdran über Autoren, wie sonst nur über Autorinnen geschrieben wird: pointierte Kritik mit grossem Unterhaltungswert.
«Die führenden Blätter widmeten der Newcomerin ausführliche Würdigungen, illustriert mit vielversprechenden Fotos – auf dem des ‹New Yorker› sieht die Autorin aus wie ein aufgeschrecktes Reh mit sinnlichen Lippen»: Oje, «Tages-Anzeiger», da ging wohl einiges schief. Die Newcomerin, das ist Sally Rooney, irische Schriftstellerin, deren Debütroman gerade ziemlich gehypt wird. Was das mit Rooneys Aussehen zu tun hat, bleibt aber auch auf den dritten Blick unklar. (Und man wundert sich ein wenig darüber, was an einem aufgeschreckten Reh so vielversprechend sein soll, aber darum soll es hier nicht gehen.) Nun ist diese Aussage des Literaturkritikers im «Tages-Anzeiger» zwar dumm, aber nicht unfassbar dumm – weil diese Art von Zuschreibungen über Autorinnen leider ziemlich verbreitet ist. Aussehen, Ehemann, karitative Tätigkeiten, alles scheint erwähnenswert, wenn es sich bei der schreibenden Person um eine Frau handelt. Als ob man es immer noch nicht ganz fassen könnte, dass Frauen schreiben, oder als ob es nicht wichtig genug wäre, um noch einen Schlenker ins Schminkkästchen zu machen.
Trotzdem kann man sich für den peinlichen Satz eigentlich bedanken, weil er Auslöser war für eine witzige Twitter-Episode. Es ist ja eigentlich ein alter feministischer Trick, die Dinge einfach mal umzukehren. Eine praktische Faustregel: Wenn die Darstellung einer Frau, angewandt auf einen Mann, lächerlich wirkt, dann war sie das wahrscheinlich schon von vornherein. In diesem Fall also: Würde man über Autoren so schreiben, wie über Autorinnen oft geschrieben wird, wäre das reichlich absurd. Und darum wird das jetzt unter dem Hashtag #dichterdran auf Twitter fleissig getan. Initiiert wurde er letzte Woche von den Journalistinnen und Autorinnen Nadia Brügger und Simone Meier sowie von der Regisseurin und Autorin Güzin Kar, die sich über den eingangs zitierten Kritiker nicht zu sehr aufregen mochten, sondern ihm lieber mit einer ironischen Aktion begegneten.
«Feenhaft und versponnen»
«Spaziergänge durch die Kastanienwälder am Lago Maggiore, Gespräche mit Elfen und lauwarme Heilbäder – Hermann Hesse schrieb wie er lebte: feenhaft und versponnen, ein Homme fragile, sehnsüchtig eine Ritterin auf ihrem weissen Pferd erwartend», heisst es da nun etwa. Oder: «Paul Auster, dem Gatten der weltberühmten Schriftstellerin Siri Hustvedt, gelang es trotz seiner Vaterpflichten, das eine oder andere Buch zu verfassen. Dass seine Bücher nur wegen ihres Ruhms veröffentlicht wurden, lässt Siri Hustvedt nicht gelten.» Und nicht nur die Beschreibung von Autorinnen, sondern auch die Vertretung von Frauen im gesamten Literaturbetrieb wird auf die Schippe genommen: «Wenn man kritisiert, dass es so wenige männliche Autoren in den Weltliteratur-Kanon geschafft haben, muss man auch bedenken, dass sich diese Literatur oft auf Männerthemen konzentriert und ihr der universelle Anspruch fehlt, der wahrhaft grossartige Werke ausmacht.» Oder: «Wir möchten uns noch mal dafür entschuldigen, dass keine männlichen Wissenschaftlerinnen auf dem Panel sind: zwei haben krankheitsbedingt abgesagt und es ist so schwer, männliche Expertinnen zu diesem Thema zu finden.»
Der Charmeur an Beauvoirs Seite
Der Hashtag wurde schnell ziemlich erfolgreich, mittlerweile gibt es zahllose Beispiele. Denn es macht nun mal einfach Spass, über Richard David Prechts schlanke Beine in modischen Satinshorts oder den charmanten Mann an der Seite von Simone de Beauvoir zu schreiben. Neben einigen Medienbeiträgen im deutschsprachigen Raum hat nun auch die britische «Times» von der Aktion berichtet. Diese Resonanz zeigt, dass mit Humor einiges zu erreichen ist; und dass ausserdem ein wenig feministischer Wind dabei hilft, dem Schlafwagen der Literaturkritik hierzulande mal etwas Schub zu geben.
Gerne dürfte sich #dichterdran auf andere Bereiche ausweiten: Pop, Politik, Film und so weiter, weil da bezüglich Vertretung und Darstellung von Frauen auch einiges im Argen liegt. Inzwischen merkt ja der eine oder andere Kritiker vielleicht, dass seine Haltung nicht nur herablassend und veraltet ist – sondern vor allem etwas lächerlich.