Operation Libero: Mit dem Einkaufswägeli in den Wahlkampf
Der politische Verein Operation Libero setzt im Wahlkampf auf fragwürdige Methoden, wie ein vertrauliches Papier zeigt, das der WOZ vorliegt. Diese widersprechen womöglich gar der Verfassung.
Die Operation Libero sieht die Demokratie offenbar als Supermarkt. Im Hinblick auf die Wahlen im Herbst wirbt sie derzeit für 26 KandidatInnen aus verschiedenen Parteien, von der FDP bis zu den Grünen. Der Verein ist die KandidatInnen gezielt angegangen und hat ihnen die Finanzierung von Werbung versprochen, wie aus einer Art Vertrag hervorgeht, der der WOZ vorliegt. Im Gegenzug mussten sich die KandidatInnen zu vorformulierten Positionen bekennen.
Das als «vertraulich» klassifizierte Papier legt auf der ersten Seite fest, dass die «schriftlich festgehaltene Zustimmung» der KandidatInnen zu den aufgelisteten «Anforderungen, Einschätzungen und Positionen» die «verbindliche Grundlage für die Unterstützung der Kandidierenden» darstellt. Um Werbung finanziert zu erhalten, müssen die KandidatInnen zwingend überall «Ja» oder «eher Ja» ankreuzen. Da drängt sich der Schluss auf: Der Verein versucht, KandidatInnen zu kaufen.
Wie die WOZ weiter weiss, wurde den PolitikerInnen dafür ein Kampagnenbudget von insgesamt 1,5 Millionen Franken in Aussicht gestellt. Nach mehrmaligem Nachhaken bestätigt der ehemalige Nationalrat Tim Guldimann (SP), der mit der Operation Libero hinter der Kampagne steht, den Betrag. Dieser sei jedoch eine Zielgrösse, die noch nicht erreicht sei. Wie viel bereits beisammen ist, will man auch bei der Operation Libero derzeit nicht sagen; und auch nicht, woher das gesammelte Geld stammt. Auf Nachhaken werden die entsprechenden Informationen auf Mitte September in Aussicht gestellt.
Für Erhöhung des Rentenalters
Dass die Operation Libero mit so viel Geld rechnet, hat einen Grund. Viele Positionen in ihrem Papier – die nur sehr stark verwässert auf ihrer Website zu finden sind – decken sich mit jenen von mächtigen Wirtschaftsverbänden. Neben einer offenen Gesellschaftspolitik fordert sie von den KandidatInnen einen rechten Wirtschaftskurs. Brisant sind vor allem drei Punkte.
Erstens: Die KandidatInnen müssen in der Klimapolitik auf «Kostenwahrheit» und «Innovation» setzen. Kurz: Mobility Pricing, das ärmere Leute ungleich härter trifft, ja. Verbote wie etwa von Ölheizungen nein. Zudem müssen sich die KandidatInnen zu einem Stromabkommen mit der EU bekennen, das den Markt durchliberalisieren würde.
Zweitens gibt das Papier eine «zügige Unterzeichnung des vorliegenden Rahmenabkommens» vor. Kurz: ein Ja zum EU-Vertrag, mit dem ein Grossteil des heutigen Lohnschutzes preisgegeben würde, wie selbst Bürgerliche warnen.
Am brisantesten ist der dritte Punkt: Die KandidatInnen müssen sich zu einer «schrittweisen Anpassung des durchschnittlichen Rentenalters» bekennen. Im Klartext: Rentenalter 66, 67 oder höher, wie es FDP und SVP fordern.
Dass die Operation Libero versucht, KandidatInnen auf diese Positionen zu verpflichten, indem sie ihnen Werbung verspricht, ritzt nicht nur an der Demokratie. Es stellt sich die Frage, ob das verfassungswidrig ist. Das Instruktionsverbot in Artikel 161 der Bundesverfassung verpflichtet ParlamentarierInnen, «ohne Weisungen» zu stimmen. Der Basler Verfassungsrechtler Markus Schefer sagt, dass Artikel 161 damit nicht verletzt werde, da dieser solche Instruktionen automatisch ungültig mache. Allerdings widerspreche das Vorgehen der Grundidee des Instruktionsverbots. Für eine Organisation, die den Liberalismus hochhält, bedenklich genug.
Keine blosse Wahlempfehlung
KandidatInnen von FDP oder GLP mussten sich kaum verbiegen, um von der Werbung zu profitieren. Anders sieht es bei jenen von CVP und vor allem von SP und Grünen aus. Er fühle sich nicht gekauft, sagt der beteiligte Zürcher CVP-Kandidat Philipp Kutter, er agiere weiterhin unabhängig. Die grüne Nationalrätin Sibel Arslan kann die Kritik nachvollziehen. Sie beteuert jedoch, nicht wegen der versprochenen Kampagnenunterstützung dem Papier zugestimmt zu haben, das eine Rentenaltererhöhung verlangt, sondern vor allem wegen der postulierten offenen Migrationspolitik. Auch SP-Nationalrat Eric Nussbaumer sagt, dass er die Kritik verstehe, sich aber nicht habe kaufen lassen. Er sei an der überparteilichen Zusammenarbeit interessiert, die der Verein biete.
Laura Zimmermann, Kopräsidentin der Operation Libero, weist die Vorwürfe zurück: «Wir haben einen Verein gegründet, der Empfehlungen für Kandidierende abgibt, die über Parteigrenzen hinweg Politik machen – das ist urdemokratisch.» Einige KandidatInnen seien von sich aus auf sie zugekommen, zudem seien die Mittel beschränkt und die KandidatInnen würden nur indirekt als Teil der gemeinsamen Kampagne unterstützt. Das Vorgehen widerspreche nicht der Grundidee des Instruktionsverbots.
Was die Operation Libero tut, ist jedoch entgegen Zimmermanns Darstellung keine Wahlempfehlung, wie sie Verbände abgeben, die alle KandidatInnen befragen, um einige zu empfehlen. Der Verein ist gezielt KandidatInnen angegangen und hat ihnen keine Empfehlung, sondern die Finanzierung einer Kampagne angeboten, falls diese sich zu ihren «Anforderungen» bekennen. Guldimann macht gegenüber der WOZ kein Geheimnis daraus: Sein Ziel ist, mit 1,5 Millionen Franken im Rücken die Mehrheiten im Parlament zu verschieben.