Wahlen (1): Wackliges Basel: Arslan und Frehner im Endspiel
Die Nationalratswahlen in Basel-Stadt werden spannend. Gefährdet sind die Sitze der BastA!-Nationalrätin Sibel Arslan und des SVPlers Sebastian Frehner.
«Ich habe keine Angst vor dem Wahltag», sagt die grün-alternative Basler Nationalrätin Sibel Arslan. Vor vier Jahren sah es nach Auszählung der brieflichen Stimmen so aus, als ob die SP einen dritten Sitz holen würde. Am Ende waren es dann aber 214 Stimmen, die Arslan das erste BastA!-Nationalratsmandat brachten. BastA! und die Grünen kandidierten damals wie heute auf einer gemeinsamen Liste; diese wiederum hat eine Listenverbindung mit den SozialdemokratInnen. Vier Jahre später ist die schweizerisch-kurdische Juristin eine gut vernetzte Aussen- und Rechtspolitikerin. Doch wenn sich das Ergebnis von 2015 wiederholt, verliert sie ihren Sitz. Der Grund ist eine Mammutlistenverbindung von EVP bis FDP. Dass das knappe Resultat von damals und mögliches Listenverbindungspech jetzt zu einer existenziellen Gelassenheit führen, mag man Arslan da nicht ganz glauben. BastA! unterstützt die wirtschaftsfreundliche SP-Ständeratskandidatin Eva Herzog nicht – die BastA!-Nationalrätin tut es. Und auch von der Operation Libero lässt sich Arslan anpreisen. Ist sie weltbildlich elastisch, weil sie um ihre Wiederwahl bangt?
Die Juristin klopft leicht verärgert mit dem Feuerzeug auf den Blechtisch im Kleinbasler Café. «Wenn ich eine Opportunistin wäre, würde ich mich dann in die ‹Tagesschau› stellen, um zu kritisieren, dass einem IS-Anhänger das Schweizer Bürgerrecht entzogen wird?» Das war am Vortag des Treffens mit der WOZ. «Ich verbiege mich nicht.» Arslan unterstütze Eva Herzog, weil sie mit ihr «bei allen Differenzen» immer noch deutlich öfter einer Meinung sei als mit Rechtsbürgerlichen. Gegenüber der Operation Libero habe sie die eigene Linie klar vertreten: Kein Rahmenabkommen ohne Lohnschutz. Bedingung für eine Anpassung des Frauenrentenalters seien für sie «tatsächliche» Lohngleichheit und die Entlöhnung von Care-Arbeit.
Arslan sieht sich als Konsenspolitikerin. Sie klopft wieder mit dem Feuerzeug aufs Blech, einmal für jedes Geschäft, von dem sie ParlamentarierInnen aus allen Fraktionen ausser der SVP habe überzeugen können, beim Stimmrechtsalter sechzehn beispielsweise oder bei einem Postulat zur Anerkennung eines dritten Geschlechts, das sogar zwei CVPler und eine EVPlerin mit unterzeichneten. Man müsse überparteilich arbeiten, das sei die Realität in Bern, sagt sie – eine Feststellung, die in Basel freilich niemand infrage stellt. Hier gehen angeblich PolitikerInnen gegnerischer Lager (noch) freundlicher und kompromissbereiter miteinander um als im Rest der Schweiz.
Die SVP im ewigen internen Streit
Das gilt nicht für die SVP Basel-Stadt, die sich seit ihrer Gründung in ewigem internem Streit befindet und jetzt auch ihren Nationalratssitz verlieren könnte, weil sie nicht Teil der Mammutlistenverbindung ist. Für die isolierte SVP kandidieren ein Grenzwächter, eine Olympiamedaillengewinnerin, ein Untersuchungsbeamter der Staatsanwaltschaft und ein ehemaliger Schweiz-Chef von Novartis. Das könnten Angstgegner der Linken sein, aber vier der fünf KandidatInnen leben nicht in der Stadt Basel, sondern in der 20 000-EinwohnerInnen-Gemeinde Riehen, die auch zum Kanton gehört. Die grösste Schwäche der Partei ist aber der Bisherige Sebastian Frehner auf Listenplatz eins. In den letzten fünfzehn Jahren hatte er bei jeder Intrige eine Rolle inne.
Im Wahljahr krachte es wieder einmal gewaltig. «In der eigenen Partei ist Nationalrat Frehner aufgrund seiner Lügen, des Eigennutzes, der fehlenden Sozialkompetenz und seines dürftigen Leistungsausweises umstritten», schreibt Lorenz Nägelin – bis im April Präsident der SVP Basel-Stadt – auf Anfrage. Was war passiert? Im Februar veröffentlichte die «Basler Zeitung» das Chatprotokoll einer Whatsapp-Gruppe, in der ein Putsch gegen Nägelin geplant worden war. Moderator und Gründer der Gruppe war der damalige Assistent Frehners. Nägelin trat dann zurück und verliess die Partei, um einer Abwahl zuvorzukommen. Frehner sei eine Hypothek für die Partei, ist Nägelin heute überzeugt, eine Wahlprognose möchte er aber keine abgeben.
Die SVP-WählerInnen haben sich wohl schon an Zankereien gewöhnt, aber diese haben sich in den letzten vier Jahren nochmals zugespitzt: Christoph Blocher forderte Frehner mehrmals zum Rücktritt auf; SVP-Präsident Albert Rösti musste zu Krisensitzungen nach Basel fahren. Als Nationalrat fiel der Gesundheitspolitiker Frehner, dessen Badge einem heutigen Nestlé- und früheren Novartis-Lobbyisten Zutritt ins Bundeshaus verschafft, bloss als Konzernzudiener auf.
Sibel Arslan verschafft sich hingegen mit Inhalten Aufmerksamkeit. Von ihr stammt einer der Anträge zur Abwahl von Bundesanwalt Michael Lauber – die Kommissionsmehrheit folgte ihr. Sie engagierte sich vehement, aber erfolglos gegen die Privatisierung der elektronischen ID. Dafür nahm der Nationalrat ihre Motion für mehr Transparenz bei den Verhandlungen zu Freihandelsabkommen an.
GPS-Überwachung von links
«Es geht mir um unsere Lebensbedingungen», sagt Arslan, «also um Grundrechte und Frauenrechte.» Jüngst machte Arslan international Schlagzeilen, weil sie nach einem Femizid GPS-Live-Überwachung von Tätern häuslicher Gewalt, gegen die bereits ein Rayonverbot ausgesprochen wurde, forderte. In der Herbstsession reichte sie auch ein entsprechendes Postulat ein. Stehen hier Grund- und Frauenrechte im Widerspruch zueinander? «Natürlich steht der Opferschutz im Zentrum.» Aber sie suche eine Lösung im Rahmen des Rechtsstaats. «Die Massnahme kann Frauenleben retten.»
Wenn es Arslan am 20. Oktober schafft, zieht wohl die SVP Basel-Stadt den Kürzeren. «Ob es reicht, weiss ich nicht», sagt sie selbst. Das hängt auch von der Bündnispartnerin ab: Mobilisiert die SP für den Sitz der BastA!-Politikerin? «Wir tun alles, damit der dritte Sitz links bleibt», heisst es beim Basler SP-Präsidenten Pascal Pfister, «dass Frehner abgewählt wird, ist sehr realistisch.» Damit das gelingt, braucht Rot-Grün dreimal so viele WählerInnen wie die SVP. Bei der letzten Wahl waren es gut zweieinhalbmal so viele.