Kommentar zu fragwürdigen Wahlkampfmethoden: Operation unsichtbar

Nr. 36 –

Aus den fragwürdigen Wahlkampfmethoden der Operation Libero müssen Lehren gezogen werden: Die Demokratie darf nicht käuflich sein.

Die Reaktion der SVP auf die letztwöchige Recherche dieser Zeitung zur Operation Libero war so erwartbar wie absurd. Die WOZ hatte offengelegt, wie der Verein vor den Wahlen versucht, KandidatInnen unterschiedlicher Parteien mit teuren Wahlkampfversprechen auf ihren Kurs zu verpflichten. Kurz nachdem der Artikel online gegangen war, stellten ihn die ersten SVP-Aushängeschilder mit gespielter Empörung auf Twitter. «Nur gruusig oder schon korrupt?», fragte Roger Köppel, dem offenbar kein Sandkastenspielchen mehr zu blöd ist.

Ausgerechnet die SVP, die mit ihren Freys, Tettamantis, Ebners und Blochers längst die FDP als Milliardärspartei überholt hat, die jegliche Transparenz darüber erbittert bekämpft und den Grosskonzernen bei der letzten Steuerreform jeden Wunsch zu erfüllen versuchte.

Ihre Reaktion ist gewissermassen aber auch erfreulich: Offenbar ist auch der SVP bewusst, dass die WählerInnen in dieser Frage zunehmend sensibel reagieren. Das zeigt auch die breite Resonanz auf die Enthüllung, die von zahlreichen Medien aufgegriffen wurde. Die Mehrheit der Bevölkerung will nicht, dass die Demokratie käuflich ist.

Umso befremdlicher ist die Reaktion der Operation Libero. Sie mache nichts anderes als Wirtschaftsverbände auch, verteidigt sie sich: Sie befrage die Kandidierenden, um jene zur Wahl zu empfehlen, deren Positionen ihr am besten entsprächen. Die Operation Libero übersieht hier leider die wesentlichen Punkte: Sie ist erstens gezielt KandidatInnen angegangen, die eben gerade beim Rentenalter oder beim Klima anders denken, um sie auf Kurs zu bringen. Zweitens hat sie ihnen dafür keine Wahlempfehlung versprochen, sondern ihnen in Aussicht gestellt, Teil einer 1,5 Millionen Franken teuren Kampagne zu werden. Drittens verlangte sie von den KandidatInnen in einem vertraulichen Papier ein «verbindliches» Bekenntnis. Während die Operation Libero die Verbindlichkeit der Positionen zuerst vielerorts vehement bestritt, sagte ihre Kopräsidentin Laura Zimmermann in der «NZZ am Sonntag» ganz offen: «Sollte jemand stark davon abweichen, würden wir daran erinnern, dass wir einen Deal hatten.»

Natürlich ist die Operation Libero auch damit nicht allein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Wirtschaftsverbände ebenso fragwürdige Methoden benutzen. Dass aktuell die Operation Libero in der Kritik steht, kommt ganz einfach daher, dass ihre Mittel aufgeflogen sind. So gesehen stimmt es, dass der Verein mit seinen Methoden nichts anderes macht als andere. Mit dem Unterschied allerdings, dass es unproblematischer ist, wie Verbände gleichgesinnte KandidatInnen zu finanzieren, als zu versuchen, Andersgesinnte mit Wahlkampfversprechen auf Kurs zu bringen.

Das heisst jedoch noch lange nicht, dass alles gut ist. Im Gegenteil: Dass die Methoden der Operation Libero gang und gäbe sind, zeigt umso mehr, dass die progressiven Kräfte in diesem Land dringend etwas dagegen tun müssen.

Die Reaktion der Operation Libero zeugt dagegen von einem mangelnden Unrechtsbewusstsein – vor allem für einen Verein, der behauptet, die Demokratie erneuern zu wollen. Die Käuflichkeit der Demokratie fängt auch längst nicht erst bei den Methoden der Operation Libero an. Sie beginnt bei der Transparenz der Spenden, die der Verein eigentlich erst nach den Wahlen offenlegen wollte, wie Zimmermann im «Tages-Anzeiger» sagt – nun will man das vorziehen. Sind die KandidatInnen gewählt, nützt Transparenz jedoch nicht mehr viel.

Wie die WOZ weiss, hat sich die Operation Libero zudem aus der Transparenzinitiative zurückgezogen, die von Parteien und Komitees verlangt, Spenden vor Urnengängen offenzulegen. Obwohl sie sich an den Vorarbeiten zur Initiative im Trägerverein beteiligt hatte, trat sie vor ihrer Lancierung 2016 wieder aus. Auch in dieser Frage scheint die Haltung der Organisation zwiespältig. Man sei klar für mehr Transparenz, sagt der Verein auf Anfrage, man zweifle jedoch an der Ausgestaltung und Wirksamkeit der Initiative. Hinzu kämen die eigenen «beschränkten Kapazitäten» und der Wunsch, auf eigene Kernthemen zu setzen.