Wahlen: Die soziale Frage bestimmt alles

Nr. 41 –

Im medial vermittelten Wahlkampf spielten konkrete politische Inhalte und Vorhaben übers Ganze gesehen eine eher untergeordnete Rolle. Wieder mal schaffte es die SVP mit einem Mätzchen, ihrem läppischen Wurmplakat, die Aufmerksamkeit in einem Mass auf sich zu ziehen, die viel über den Zustand des Journalismus aussagt. Die CVP erregte kurz die politische Konkurrenz mit ihrer Google-Kampagne. Selbst die Schwedin Greta Thunberg, die Leitfigur der Klimabewegung, beschäftigte auch in der Schweiz vor allem beleidigte alte weisse Männer, die sich nicht mit ihren sachlich begründeten Inhalten und Forderungen auseinandersetzen wollen und ihren Weltdeutungsanspruch in Gefahr sehen. All diese Kampagnen lenken von politischen Inhalten ab.

Dennoch haben zwei relevante Themen das Wahljahr dominiert und treiben erst seit wenigen Monaten undenkbare Veränderungen voran, ausgelöst von kraftvollen und nachhaltigen Bewegungen: der Frauenstreik und die Klimajugendbewegung mit ihren nicht nachlassenden Streiks. Sowohl in der Gleichstellung wie auch in der Klimapolitik wird es allerdings nur Lösungen geben, wenn ein drittes Thema in den Fokus rückt: der soziale Ausgleich.

SVP, FDP und grosse Teile der bürgerlichen Mitte haben dem Land in den vergangenen dreissig Jahren das neoliberale Paradigma aufzuzwingen versucht, Arme verleumdet, gegen AusländerInnen gehetzt. Teilweise ist dieses Spiel zugunsten der Kapitalinteressen aufgegangen. Aber eben nur teilweise. Gewerkschaften, linke Parteien und einige vernünftige bürgerliche PolitikerInnen haben sich zum Nutzen der Bevölkerung dagegengestemmt. Es wird offensichtlich: Das Zeitalter des Neoliberalismus neigt sich dem Ende zu.

Die soziale Gerechtigkeit wurde als überholtes Konzept von den Neoliberalen lächerlich gemacht. Aber sie ist aktueller denn je. Sie ist zwingender Teil der Lösung. Denn die Schweiz lässt sich nur klimaneutral umbauen, wenn dies sozial verträglich vonstattengeht. Die Weiterentwicklung der Vorsorgeeinrichtungen gelingt nur dann, wenn sie als Gemeinschaftsaufgabe verstanden und angegangen, wenn also nicht Jung gegen Alt ausgespielt wird. Gleiches gilt für das Gesundheitswesen, die Pflege, die überwiegend von Frauen geleistete unbezahlte Care-Arbeit, die Bildung, die Herausforderungen der Digitalisierung.

Pauschales PolitikerInnenbashing ist fehl am Platz. Denn gerade jene Parteien, die sich nicht von den Konzernen und den MilliardärInnen bezahlen lassen, also SP, Grüne oder AL, bieten Lösungen an, die allen ausser den ohnehin Privilegierten zugutekommen. Lobbyismus ist ja nicht per se schlecht. Wer sein Mandat nicht zur Selbstbereicherung missbraucht, lobbyiert allein im Interesse seiner WählerInnen. Anders etwa als Heinz Brand (SVP) setzen sich Barbara Gysi und ihre Partei, die SP, für die Plafonierung der Krankenkassenprämie ein (mittels Initiative), ohne sich dafür extra bezahlen zu lassen. Im Wahlkampf präsentierte diese Partei auch rasch realisierbare Massnahmen für das «Netto null»-Ziel: eine staatsnahe Klimabank, die einfachen HausbesitzerInnen etwa den Einbau einer ökologischen Heizung ermöglichen würde. Die Grünen möchten im Parlament alle Geschäfte, die sich diesem Ziel widmen, für dringlich erklären, also rasch behandeln lassen. Die Grünliberalen hingegen, ökologisch auf gleicher Linie, haben nicht verstanden, dass dieser Umbau nur sozial verträglich zu haben ist – die Unterstützung muss weit über die unmittelbar Bedürftigen hinausgehen.

Die Klimakatastrophe kann, zumindest in Teilen, nur mit planwirtschaftlichen Massnahmen und strengen Gesetzen abgewendet werden. Der blinde Markt- und Wachstumsglaube hat dem Globus dieses Problem erst beschert. Die WählerInnen entscheiden darüber, wer in der nächsten Legislatur die Gestaltungsmacht hat, das Parlament deblockiert und zukunftsfähige Lösungen vorantreibt. Die Konzepte von SVP und FDP jedenfalls gehören in die Mottenkiste der Geschichte.