Nekane Txapartegi: Der lange Arm der spanischen Justiz
Letzten Mai eröffnete Spanien ein neues Verfahren gegen die in der Schweiz lebende baskische Aktivistin Nekane Txapartegi. Am 12. November erging ein internationaler Haftbefehl und nur kurz darauf ein Auslieferungsantrag. Bereits im Mai war ein Rechtshilfeersuchen bei der Schweiz eingegangen. Dieses basierte erneut auf einem 1999 unter Folter erzwungenen Geständnis, aufgrund dessen Txapartegi der Eta-Mitgliedschaft bezichtigt wird. Im Gegensatz dazu beruft sich die spanische Justiz nun auf neue Anklagepunkte. Im Fokus stehen die Papiere, mit denen Txapartegi nach ihrer Flucht aus Spanien 2007 unter falscher Identität in der Schweiz lebte. Gemäss der Menschenrechtsorganisation Augenauf nennt der neue Haftbefehl «als alleinigen Vorwurf den Besitz von gefälschten Papieren». Es sei bemerkenswert, «dass der spanische Staat ein Delikt verfolgt, das in der Schweiz stattgefunden hat»: Damit beanspruche er eine extraterritoriale Wirkung seiner Gesetze.
Möglicherweise versucht Spanien so zu verhindern, dass sich die Schweiz zu den Foltervorwürfen äussern muss. Denn obwohl mehrere ExpertInnen diese Vorwürfe bestätigten, musste sich die Schweiz bisher nicht dazu positionieren. Nachdem das höchste spanische Gericht die Strafe Txapartegis für verjährt erklärte, kam die damals in der Schweiz inhaftierte Aktivistin im September 2017 frei. Daraufhin untersuchten die Schweizer Behörden die Foltervorwürfe bis heute nicht. Würde Txapartegi nun aber wegen falscher Papiere ausgeliefert, dürfte bei einem Prozess in Spanien noch immer die Eta-Mitgliedschaft der Hauptanklagepunkt sein. Damit bleibt das Dilemma für die Schweiz bestehen: Entweder tritt sie auf das neue Auslieferungsgesuch ein und verstösst so insbesondere gegen die Antifolterkonvention. Oder sie verzichtet auf die Auslieferung und anerkennt dadurch die Foltervorwürfe. Letzteres haben Staaten wie Deutschland oder Belgien in ähnlichen Fällen bereits getan. Es gäbe aber noch einen dritten Weg: nämlich dass die Schweiz das Auslieferungsbegehren aus formalen Gründen zurückweist, weil es sich auf hierzulande begangene Straftaten beruft. Tut sie das nicht, delegitimiert sie ihren eigenen Rechtsstaat.