Von oben herab: Namedropping

Nr. 3 –

Stefan Gärtner über einen neuen Trend in der Schweizer Parteienlandschaft

Die Christliche Volkspartei (CVP) hat einen neuerlichen Vorstoss unternommen, das C aus dem Namen zu streichen, um fürs Publikum der bürgerlich-säkularen Mitte attraktiver zu werden. In die Nähe rückt dadurch auch eine Fusion mit der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP), die bei der Nationalratswahl vier von sieben Sitzen verloren hat und in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist.

Als mögliche Namen kursieren in der CVP «Mittepartei» und «Die Moderaten», auch wird schlicht eine Streichung des C erwogen, wodurch eine engere Bindung an Schweizer und Schweizerinnen mit DDR-Vergangenheit und guten Erinnerungen an die dortige Volkspolizei (VP) gelänge. Da «Volkspartei» durch die Konkurrenz von rechts bereits besetzt ist, kommt auch eine Streichung des V in Betracht; leider findet der schlagende Parteiname «Partei» bereits in Deutschland Verwendung («Die Partei»). «Die Moderaten» ist übrigens keiner der üblich öden Schweizwitze aus der Tastatur des bequemen deutschen Kolumnisten, sondern die reine Wahrheit: «Die Moderaten», nein, schweizerischer geht es nicht; mögliche Slogans: «Alles kann, nichts muss», «Nichts überstürzen» oder «Mal sehn, oddr».

Auch die SVP hat bei den Wahlen schwer verloren und überlegt nun, mit neuem Namen durchzustarten. «Neue Schweizer Volkspartei, das wärs», seufzt ein Insider, «aber NSVP, das hat man in der versifften Linkspresse schon gelesen, das ist verbrannt.» Überlegungen gehen deshalb in die Richtung «Neue Schweizer Volks- und Allgemeinpartei», gerade mit Blick auf die wachsenden gesellschaftlichen Gräben. «‹Allgemein› nimmt alle mit, mit ‹allgemein› machst du nichts falsch!», ist sich der Gewährsmann sicher, das sei seine sowie auch «allgemeine Überzeugung».

Die Sozialdemokraten wollen nicht zurückstehen, schämen sich schon lange für ihre armseligen zwei Buchstaben. «SPD», verrät eine hohe Berner Sozialdemokratin, «das hat gleich einen ganz anderen Klang! Kein Wunder, dass die Schweiz so lange keinen Krieg mehr geführt hat, wenigstens gegen die Armen, Alten und Schwachen!» «SPA» etwa habe «einen Wellness-Appeal für die Mittelschichtstubel», «SPY» sei «irgendwie cool, so James-Bond-mässig, damit würden wir zur Partei der Supermodels und Sportwagenfahrer», und «SPE – wie ‹in spe›, verstehen Sie? Latein!» – mache auf die Schweizer Sozialdemokratie als «humanistische Bildungs- und Hoffnungspartei» aufmerksam, «damit uns nicht immer bloss die Prolos wählen. Was die Deutschen hingekriegt haben, das können wir schon lange!» Wofür der extra Buchstabe jeweils stehe, sei dabei «ganz wurscht», Sozialdemokratie stehe schliesslich ebenfalls für «irgendwas».

Wenn sich alle erneuern, kann der Freisinn zuletzt zurückstehen, zumal da «FDP» so «scheusslich nach Christian Lindner und fünf Prozent klingt», wie Chefin Petra Gössi klagt. «Dabei sind wir die Partei der Leistungsträger und Powerfrauen, nicht wahr, also eigentlich die ‹Partei der Oberen, Reichen, Schönen, Erfolgreichen – PORSCHE›. Wie finden Sie das? Apropos, ich muss noch tanken, bis später!»

Keinen Änderungsbedarf sehen hingegen Grüne und Grünliberale. «Grünliberal», so Präsident Jürg Grossen unter ausdauerndem Gähnen, «was soll man da verbessern? Grün und liberal, das ist Biomarkt, und der wählt uns. Bei uns steht ‹langweilig und folgenlos› drauf, und genau das ist drin.» Unruhe herrscht hingegen beim Nachwuchs von den «Jungen Grünliberalen», denn «ernstlich jung, ich sags Ihnen, ist hier niemand», so Ana Fontes Martins, die weibliche Hälfte der grünliberalen Doppelspitze, bei einem sehr schwachen Kräutertee. «Schauen Sie nur mal auf unsere Homepage: ‹alteingesessene Strukturen aufbrechen›, ‹neue Ansätze lancieren›, das klingt doch schon, als hätte das wer mit Rollator geschrieben. Aber zitieren Sie mich nicht, in meinem Alter finde ich nichts anderes!»

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.