Rechter Terror : Bürgerkrieg als Ziel
Die deutsche Bundesanwaltschaft hat dreizehn Rechtsextreme wegen Terrorverdacht verhaftet. Wer ist die «Gruppe S», die Betende in Moscheen, aber auch PolitikerInnen und Asylsuchende ermorden wollte?
Eine rechtsextreme Gruppe um einen Mann namens Werner S. hat in Deutschland offenbar geplant, Betende in zehn Moscheen zu ermorden. Laut der Bundesanwaltschaft habe sie damit «bürgerkriegsähnliche Zustände» herbeiführen wollen.
Am Freitag gingen Spezialkräfte gegen insgesamt dreizehn Personen vor. Bei fünf von ihnen bestehe der Anfangsverdacht, eine «terroristische Vereinigung» gegründet zu haben, den acht anderen hält der Generalbundesanwalt vor, die «Vereinigung» unterstützt zu haben. Kurz nach 6 Uhr war für die Beschuldigten aus sechs Bundesländern die Nacht zu Ende: Die Polizei stand vor den Türen der Gruppe, die im Ermittlungskontext mit Bezug auf den mutmasslichen Anführer «Gruppe S» genannt wird.
Unauffällig in der Kleinstadt
Schon vor Monaten hatten die Sicherheitsbehörden Werner S., der im bayerischen Mickhausen wohnt und auch «Teutonico» genannt wird, als «Gefährder» eingestuft. Der 53-Jährige soll sich bei Facebook einschlägig geäussert haben, mindestens einer seiner Accounts wurde Ende 2019 gesperrt. Auf einem anderen Profil kommentierte er die Sperrung später: «Ein Witz, aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum.»
Mit seiner «rechten Hand» Tony E. hatte S. nicht bloss die Idee gemein, nach dem Vorbild der Anschläge im neuseeländischen Christchurch zu operieren. Der 39-jährige E. lebt in einer ebenfalls kleinen Gemeinde, im niedersächsischen Wriedel. Er steht im Verdacht, Treffen organisiert und Vorbereitungen koordiniert zu haben. Die Ermittler fanden bei ihm zu Hause mehrere Handys und eine grössere Menge eines Stoffes, aus dem Sprengstoff hergestellt werden könnte.
E. soll bekundet haben, bereit zu sein, für «die Sache» zu sterben. Bis zu den Ermittlungen war er den Sicherheitsbehörden allerdings nicht aufgefallen – jedoch nicht, weil er sehr konspirativ agiert hätte. Er blieb unter dem Radar, da er rechte Versammlungen offenbar mied und Szeneaufmärschen fernblieb. «Er ist hier nirgends öffentlich aufgetreten, hat an keiner Veranstaltung teilgenommen, die wir beobachteten», sagt auch Olaf Meyer von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen.
NachbarInnen fiel E. zwar mit einschlägiger Kleidung auf, etwa mit einem Hemd mit der Aufschrift «Heimatschutz Niedersachsen», aber nicht mit entsprechenden Sprüchen. Ebenso wie S. wurde er auf Facebook dafür umso deutlicher, wo er gegen MuslimInnen und Geflüchtete hetzte und die rechtsextremen Gruppen Brigade 8 und German Defence League unterstützte. Ein Bild zeigt E. zudem mit dem Freikorps Heimatschutz, einem Netzwerk, das nicht zu öffentlichen Veranstaltungen einlädt, sich dafür nach eigenen Angaben «mit Kampfsport und Geländeausbildung» darauf vorbereitet, «die Heimat zu schützen». Zwei weitere Beschuldigte aus Sachsen-Anhalt gehören zudem zu den regionalen Anführern der Bürgerwehr Vikings Security Germania.
Alle Verdächtigen scheinen sich während der Krise der Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 weiter radikalisiert zu haben. Verbindungen der Gruppe reichen auch in die Sicherheitsbehörden: Der mutmassliche Unterstützer Thorsten W. ist ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei aus Nordrhein-Westfalen. Zusammengefunden haben soll sich die Gruppe in den sozialen Medien. Die Beschuldigten hielten über Chatgruppen verschiedener Messengerdienste und über Telefonate Kontakt, trafen sich aber auch.
Ermittler finden Waffen
Im September 2019 haben sich fünf der Verdächtigen, unter ihnen S. und E., offenbar zur terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen. Ihr Ziel waren dabei nicht alleine Moscheen: Die Männer sollen auch, so der Generalbundesanwalt, «noch nicht näher konkretisierte Anschläge auf Politiker und Asylsuchende» geplant haben. Ihre Unterstützer hätten zugesagt, Geld zu geben und Waffen zu besorgen.
Bereits im Oktober wandte sich ein Mitglied an die Polizei, der Kontakt soll zwischenzeitig jedoch unterbrochen gewesen sein. Bisher ist unklar, ob die Gruppe ohne den Tippgeber überhaupt bemerkt worden wäre. Vor zwei Wochen fand das letzte Treffen statt, bei dem es erneut um die Waffenbeschaffung gegangen sein soll.
Bei den Durchsuchungen am Freitag stellten die Ermittler unter anderen Handgranaten, eine Neun-Millimeter-Pistole und eine selbstgebastelte «Slam Gun» mit hundert Schuss Munition sicher. Zwölf der dreizehn Beschuldigten sind in Untersuchungshaft. Der Tippgeber wohl nicht.