Kommentar zu Cryptoleaks: Schotten dicht

Nr. 9 –

Auch wenn sich die Bürgerlichen weigern: Nur eine PUK kann in den Cryptoleaks echte Aufklärung bringen. Jürg Bühler und Markus Seiler gehören als Geheimdienstverantwortliche freigestellt.

Wenn das Büro des Nationalrates am Montag die Öffentlichkeit informiert, wird es kaum eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zu den Geschäften der CIA-Firma Crypto AG ankündigen. Das erstaunt nicht: Hochrangige Politiker von CVP und FDP – Bundesräte, führende Geheimdienstleute, Stadtpräsidenten und Parlamentarier – waren über die Spionagetätigkeit des US-Auslandsgeheimdiensts spätestens seit den frühen neunziger Jahren höchstwahrscheinlich im Bild.

Sie haben mit der Duldung und der bewussten Nichtaufklärung dieser umfassenden Spionagetätigkeit der CIA (und in früheren Jahren des BND) die Schweiz beschädigt. Nicht bloss hinsichtlich der sogenannten guten Dienste in der globalen Staatenwelt, sondern auch hinsichtlich der Wirtschaft. Die Neutralität war – wie das Bankgeheimnis – Teil des eidgenössischen Geschäftsmodells. Jetzt ist sie bloss noch ein Treppenwitz der Geschichte.

Als das ZDF, die «Washington Post» und die «Rundschau» auf der Basis eines geleakten CIA-Berichts die Affäre Mitte Februar publik machten und Beweise für die Mitwisserschaft zumindest eines Bundesrats, nämlich Kaspar Villiger, sowie der Geheimdienstbehörden lieferten, schien die fünfte Parlamentarische Untersuchungskommission in der Geschichte des Bundes wahrscheinlich.

Selbst die freisinnige Parteipräsidentin Petra Gössi schloss eine PUK nicht aus; Stimmen aus der SVP bis hin zu Christoph Blocher stiessen ins gleiche Horn. Bloss die CVP blieb auffällig still, fuhr aber eine konsequente Linie: Keine PUK, eine Untersuchung der ständigen Kommission, der Delegation der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission GPDel, reiche vollkommen.

Auf diese Linie sind inzwischen auch die anderen bürgerlichen Parteien eingeschwenkt. Sie stellen den Cryptoskandal als alte Geschichte aus dem Kalten Krieg dar, kehren allerdings geschichtsvergessen oder bewusst die Tatsache unter den Tisch, dass die CIA-Firma Crypto AG erst 2018 und nicht 1989 aufgelöst wurde. Allem Anschein nach wollen SVP, FDP und CVP die Sache rasch erledigen. Mit gutem Grund: Sie tragen die volle politische Verantwortung dafür, dass kaum ein Staat in der Welt mehr der Schweiz ihre neutrale Haltung abkauft.

Zugelassen haben diese Beschädigung über Jahrzehnte bürgerliche Politiker. Wer im Bundesrat wusste davon? Höchstwahrscheinlich nicht nur Kaspar Villiger. Was wussten andere Justiz- und Militärminister? Vielleicht muss man die Frage aber auch anders stellen: Wollten die zuständigen Regierungsmitglieder es überhaupt so genau wissen? Interessanter als die Bundesräte sind in diesem Zusammenhang ohnehin bürgerliche Politiker und Geschäftsleute, die im Umfeld von strategischen Rohstoffen und Kriegsmaterialexporten geschäfteten – und die Politik aus dieser Perspektive beeinflussten.

Ebenso wichtig ist die Frage, welche Rolle bis heute führende Geheimdienstleute wie NDB-Vize Jürg Bühler und sein einstiger Chef, Markus Seiler, in diesem Fall spielten und was sie wussten. Seiler koordiniert als Generalsekretär im Aussendepartement heute ausgerechnet die internationale Politik der Schweiz. Solange die Rollen von Bühler und Seiler nicht geklärt sind, sollten sie freigestellt – und je nach Untersuchungsergebnis aus dem Staatsdienst entlassen werden.

Klar ist schon heute: Die Schweiz hat ein Problem mit einem schlecht kontrollierten Geheimdienst. Die Absicht der Bürgerlichen, es bei einer Untersuchung durch die GPDel bewenden zu lassen, ist offenkundig: Sie ist zu schwach, um mehr als oberflächliche Resultate zu liefern. Das vorgebrachte Argument, die GPDel bringe eine rasche Aufklärung, zählt nicht: Ob die Resultate in zwei, drei oder sechs Monaten vorliegen, ist unerheblich. Entscheidend ist die Qualität der Aufklärung. Eine PUK liesse sich ohne Weiteres bis Ende März aufgleisen. Es braucht einzig politischen Willen.