100 Wörter: Können mich alle hören?
Das Abhalten von Sitzungen via Videokonferenz hatte durchaus Vorteile. Begründet mit einer vorgetäuschten schlechten Internetverbindung, konnten Kamera und Mikrofon bald aus- und das Handy eingeschaltet werden, um Nachrichten, Beiträge und Memes zu checken, die zwar auch nicht viel interessanter waren, aber ein Gefühl subversiver Individualität aufkommen liessen. Heikel wurde es nur, wenn einem eine Frage gestellt wurde und man sich völlig ahnungslos wieder in die Runde der zusehends bleicher werdenden, schlechter gekleideten und unrasierten Kollegen – die Kolleginnen gaben sich mehr Mühe oder schalteten die Kamera schon gar nicht erst ein – zurückklicken und einen halbwegs kohärenten und themenrelevanten Wortbeitrag improvisieren musste.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Im September ist sein neuer Köbi-Krimi, «Pöschwies», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.