Sachbuch: Eine Nase zu viel Küchenpsychologie

Nr. 16 –

Spannend wird es, wenn Bettina Pause von ihren Untersuchungen berichtet: Da werden im Labor etwa in Angstschweiss gebadete Wattepads, die gestresste ProbandInnen zuvor unter den Achseln getragen hatten, zu einem «Superangstpad» verarbeitet, um herauszufinden, wie Angst riecht und wie wir darauf reagieren. Auch die kurzen Ausflüge in die Biologie sind faszinierend: Kein anderes Körper- oder Sinnesorgan nimmt so viel Platz auf unserem Erbgut ein wie unser Geruchssystem. Wir können nur fünf Geschmäcker unterscheiden, aber über eine Billion verschiedene Gerüche. Was die Psychologieprofessorin aus Düsseldorf zur These verleitet, der Geruchssinn sei der Grund für die Komplexität des menschlichen Gehirns.

Und das führt zur Grundproblematik dieses Buches über den menschlichen Geruchssinn: Immer wieder zieht Pause aus Beschreibungen und Beobachtungen Schlussfolgerungen, für die sie keine vernünftige Basis liefert. Ja, sie behauptet gar, von Vernunft sei eh nicht viel zu halten: «Kant und seine Nachfolger werden heute noch zitiert und verehrt. Meiner Meinung nach zu Unrecht, denn es gibt keinen besseren Ratgeber als das Bauchgefühl, und das entsteht in der Nase.» Entsprechend ausschweifend sind ihre Exkurse in die Kulturgeschichte der Emotionen – und arg oberflächlich die darauf bauenden Zusammenhänge zwischen Gerüchen und Gefühlen. Pause behauptet, fremde Gerüche würden uns beunruhigen, und will mit einer «Urangst vor Fremden» auch die Vorurteile gegenüber MigrantInnen erklären. Deshalb sei es wichtig, mit ihnen den Kontakt zu suchen, «sich zu beschnuppern». Und vielleicht komme ja irgendwann ein «Integrationsparfüm, mit dem Asiaten wie Europäer riechen», auf den Markt?

Leider ist das Buch voll mit solch flapsiger und auch rassistischer Küchenpsychologie. Da hat die Koautorin Shirley M. Seul mit ihrer «Gabe, aus einem trockenen Geruch(sbuch) eine leichte und bunte Duftwolke zu zaubern», der Professorin einen Bärendienst erwiesen.

Bettina M. Pause: Alles Geruchssache. Wie unsere Nase steuert, was wir wollen und wen wir lieben. Piper Verlag. München 2020. 272 Seiten. 30 Franken