Versammlungsfreiheit: Bundesamt für absurde Argumente
Demonstrationen mit nicht mehr als fünf Personen seien wieder erlaubt, verkündeten das Bundesamt für Justiz (BJ) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Montag. Doch die Lockerung erweist sich schnell als ernüchternd: Eine Aktion mit mehreren Fünfergruppen in einer Stadt verteilt soll weiterhin verboten sein. Denn die Kleingrüppchen dürften, so das BJ laut «Echo der Zeit», räumlich und inhaltlich keinen Zusammenhang haben, sonst würden diese Gruppen zusammen eine Einheit bilden und eine Veranstaltung darstellen – das sei nach wie vor verboten.
Diese Argumentation ist so absurd, dass sie den Eindruck verfestigt, dass es längst nicht mehr um den besten Schutz vor Coronainfektionen geht.
Das hatte sich bereits bei Aktionen in Solidarität mit Geflüchteten, Protesten der Klimastreikbewegung oder am 1. Mai gezeigt: Politischen AktivistInnen schlug eiserne Repression entgegen – selbst wenn sie nur ein Plakat in die Luft und sich dabei an die Hygienevorschriften hielten. Auch die Lockerungen Mitte Mai machten deutlich, wo die staatlichen Prioritäten liegen: Wenn Gartenzentren, Kosmetiksalons und Restaurants unter Schutzvorkehrungen wieder öffnen durften, aber politische Kundgebungen an der frischen Luft selbst in kleinen Gruppen und mit Abstand zu jenem Zeitpunkt absolut verboten blieben, dann zählen wirtschaftliche Interessen ganz offensichtlich mehr als grundrechtliche Freiheiten. Als vergangene Woche Karin Rykart, grüne Vorsteherin der Zürcher Stadtpolizei, politische Aktionen unter Vorschriften wieder erlauben wollte, aber vom kantonalen Sicherheitsvorsteher Mario Fehr (SP) zurückgepfiffen wurde, schien es dabei ebenfalls mehr um politische Machtansprüche als um die Eindämmung der Pandemie zu gehen.
Dabei gilt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch in Zeiten von Corona – und stützt sich nicht nur auf die Bundesverfassung, sondern etwa auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Es braucht juristisch also nicht legitime Gründe, eine Versammlung zu bewilligen, sondern legitime Gründe, eine zu verbieten.