Maskenkontroverse: Ein solidarisches Stück Stoff
Wochenlang hat Daniel Koch in der Maskenfrage Chaos gestiftet. Ihr Nutzen sei wissenschaftlich nicht belegt, behauptete der oberste Schweizer Seuchenbekämpfer. Und ohnehin wüssten die SchweizerInnen damit nicht richtig umzugehen, würden sich mit einem Stück Stoff im Gesicht bloss in falscher Sicherheit wiegen und die Abstandsregeln nicht mehr einhalten.
Was das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit diesem kommunikativen Wirrwarr bezweckte, wo doch selbst der aktuelle Pandemieplan von 2018 Masken empfiehlt, bleibt sein Geheimnis. Wer die Diskussion der letzten Wochen verfolgt hat, wurde einen Verdacht nicht los: dass die Behörden bloss nach Ausreden suchten, weil nicht genug Material zur Verfügung stand. Die Folge: grosses Misstrauen gegen eine im Grunde simple Massnahme.
Dabei zeigen immer mehr Studien, dass Masken durchaus Schutz bieten – vor allem dann, wenn alle eine tragen. Laut einer kürzlich publizierten Untersuchung kann das Stück Stoff um Mund und Nase das Infektionsrisiko gar um bis zu vier Fünftel reduzieren. Auch die Weltgesundheitsorganisation, die bisher skeptisch war, vollzog am Wochenende eine Kehrtwende. Hinzu kommt, dass die Schweizer Lager inzwischen prall gefüllt sind. Zu einem Umdenken haben diese Erkenntnisse bisher nicht geführt. Zwar rufen SBB und kantonale Verkehrsbetriebe ihre KundInnen fast schon verzweifelt dazu auf, ihr Gesicht zu verhüllen, wenn die Abstände nicht einzuhalten sind. Und auch auf den bunten BAG-Plakaten finden sich entsprechende Empfehlungen. Doch wer dieser Tage im öffentlichen Verkehr unterwegs ist, bleibt mit seiner Maske praktisch allein.
Auflösen liesse sich das Dilemma bloss mit einer kommunikativen Offensive. Und sollte das nicht reichen, bleibt als letztes Mittel noch die Maskenpflicht, wie sie auch viele andere Länder kennen. Denn wer eine Maske trägt, schützt seine Mitmenschen vor einer Ansteckung – und damit auch sich selbst. So ungewohnt das Stück Stoff im Gesicht auch sein mag: Es ist nicht zuletzt ein Symbol der Solidarität.