Kinderabzüge: Nur für reiche Eltern

Nr. 28 –

«Sie haben aber herzige Kinder!»

Wundern Sie sich nicht, sollten Sie im September, falls Sie mit Ihren Kindern durchs Quartier spazieren, derart angesprochen und mit der Frage konfrontiert werden: «Sie sind doch sicher auch der Meinung, dass die Kinderbetreuungskosten zu hoch sind. Finden Sie nicht, es wäre an der Zeit, man könnte dafür etwas mehr von den Steuern abziehen?»

«Doch, eigentlich schon», würden Sie womöglich antworten. «Nun», würde die fremde Person darauf vielleicht fortfahren, «wir hätten eine Idee, wie Sie sich etwas von den Kosten sparen könnten. Sie sind doch stimmberechtigt, oder?»

«Ja, doch», würden Sie womöglich sagen, sofern Sie den Schweizer Pass haben, worauf die fremde Person vielleicht erwidern würde: «Wunderbar! Jetzt müssen Sie am 27. September nur noch ein Ja zur Erhöhung der Kinderabzüge einlegen! Sie und Ihr Mann verdienen zusammen schon mehr als 100 000 Franken im Jahr, nicht wahr?» –und Ihnen, nachdem Sie darauf zum Beispiel «Eigentlich nicht» gesagt hätten und mit den Kindern schon ein paar Schritte weiter gegangen wären, vielleicht noch nachriefe: «Aber wenn Sie schon von der Erhöhung der Abzüge profitieren wollen, müssen Sie schon etwas mehr verdienen!»

Wundern Sie sich also nicht, sollten Sie in ein solches Gespräch verwickelt werden. Studieren Sie die Abstimmungsunterlagen und Sie werden zum Schluss kommen: Wenn von einer Initiative nur die reichsten zwölf Prozent der Familien substanziell profitieren, während fast die Hälfte aller Familien gänzlich leer ausgehen, weil sie zu wenig verdienen, um überhaupt Bundessteuern zahlen zu müssen, dann gibt es nur eins: nein zu diesem Reichenbonus. Und ja: Es braucht eine höhere Beteiligung der öffentlichen Hand an der familienergänzenden Betreuung.

Am Freitag äusserte sich SVP-Finanzminister Ueli Maurer zur Vorlage. Er räumte ein: «Effektiv werden nur Familien profitieren, die deutlich über 100 000 Franken verdienen» – und übernahm damit die Position der SP, die das Referendum ergriffen hatte.