Durch den Monat mit Michèle Howald (Teil 4): Befindet sich die Branche in einem Umbruch?

Nr. 39 –

Was es alles braucht, um in Coronazeiten wenigstens eine kleine Chilbi auf die Beine zu stellen. Warum die Krise für die SchaustellerInnenbranche auch eine Chance sein könnte. Und weshalb es an der Zeit ist, dass eine neue Generation den Lead übernimmt.

«Es gibt viele Kollegen in meinem Alter, die wie ich daran sind, den Betrieb zu übernehmen»: Michèle Howald auf ihrem Kinderkarussell in Wetzikon.

WOZ: Frau Howald, jetzt stünden die grossen Herbstmessen vor der Tür …
Michèle Howald: Ja, und wir wären jede Woche mit zehn statt nur zwei Geschäften wie hier in Wetzikon unterwegs. Das heisst aber nicht, dass es weniger zu tun gibt.

Weshalb?
Der Zusatzaufwand mit den Coronaauflagen ist enorm. Nur schon die ganze Infrastruktur für das Schutzkonzept: Zwei ganze Busse sind ausschliesslich dafür mit Tafeln, Infoständen und Maschinen gefüllt. Allein im Albisgüetli haben wir fast hundert Liter Desinfektionsmittel verbraucht. Abartig. Und wenn auf einmal tausend Leute gleichzeitig da sind und du alle Hände voll zu tun hast, musst du schon schauen, dass du nicht vergisst, sie immer wieder zu desinfizieren. Wenn da ein Hotspot entstehen würde: Gute Nacht am Sonntag. Aber die Leute halten sich an die Regeln. Ein Doktor, der den Lunapark besuchte, meinte: «Sensationell.»

Was hat sich sonst noch gezeigt in dieser Krise?
Dass sie auch eine Chance sein kann, indem sie den Zusammenhalt unter den Schaustellern fördert. Das wäre es ja eigentlich: durch diese Pandemie etwas zu lernen. Die Krise hat ja schon viel bewirkt in dem Sinn, dass notgedrungenerweise mal alle zusammenstehen. Ziemlich das erste Mal. Das hat man an unserer Grosskundgebung auf dem Bundesplatz gesehen. Unser Ziel ist es jetzt, dass vor allem wir jüngeren Schausteller noch mehr zusammenspannen. Die ältere Generation hat das nie wirklich geschafft. Jetzt arbeiten wir auch daran, dass sich alle Verbände und Vereine der Branche unter einem Dach zusammenschliessen. Was in dieser Krise offensichtlich wurde, ist ja auch, dass wir, wenn es drauf ankommt, keine wirkliche Lobby haben.

Befindet sich die Branche generell in einem Umbruch?
Ja, im Moment findet in vielen Familienbetrieben ein ähnlicher Generationenwechsel wie in unserem Geschäft statt. Es gibt viele Kollegen in meinem Alter, die wie ich daran sind, den Betrieb zu übernehmen. Gleichzeitig gibt es schon auch Ältere, die nicht so einfach loslassen können. Wir haben einen Berufskollegen, der ist schon fast neunzig – und Jahr für Jahr immer noch mit seinem Karussell unterwegs. In manchen Schaustellerfamilien ist es ein wenig wie beim Circus Knie. Dort sind auch immer alle Spalier gestanden, wenn es hiess: «Achtung, jetzt kommt der alte Knie!»

Und wie ist das bei Ihnen?
Peter Howald (der sich dazugesetzt hat): Keine Angst! Ich werde mich schon rechtzeitig zurückziehen.

Michèle Howald: Ich hoffe aber schon, dass du noch eine Weile mithilfst!

Stimmt eigentlich der Eindruck, dass in den meisten Schaustellerfamilien immer noch die Männer am Drücker sind?
Michèle Howald: Die Rollenverteilung ist schon immer noch eher klassisch. Mit wenigen Ausnahmen.

In den Schiessständen dagegen sieht man fast nur Frauen …
Michèle Howald: Die Männer haben vermutlich einfach keine Nerven dafür.

Letzte Woche hat das Parlament endlich einer Finanzhilfe für Ihre Branche zugestimmt.
Michèle Howald: Es war ja auch höchste Zeit. Aber wie und wann das Geld bei den Leuten ankommt: keine Ahnung. Am Fernsehen haben sie gesagt, dass es bis zu fünf Monate dauern könnte. Für den einen oder anderen Betrieb wird das dann aber wohl zu spät sein.

Peter Howald: Jetzt müssen die Juristen zuerst einmal ausarbeiten, wie das umgesetzt werden soll. Die Vollmacht liegt ja bei den Kantonen. Es ist schon harzig. Aber wie sich Frau Rytz für uns ins Zeug legt, das ist grossartig. Alle Achtung.

Um wie viel Geld geht es?
Peter Howald: 25 bis 30 Millionen Franken. So zumindest haben wir es im Verband einmal berechnet. Wenn sie schlau gewesen wären im Bundesrat, hätten sie für Branchen wie unsere schon viel früher einen Beitrag gesprochen. Das wäre für alle weniger teuer gekommen. Die Österreicher haben das besser hingekriegt. Die haben den Schaustellern schon mal die Fixkosten abgenommen. Wenn auch wir in der Schweiz am Schluss wenigstens von diesen Kosten befreit würden, wären wir schon ziemlich happy. So wie es aussieht, kommen wir dieses Jahr höchstens auf fünf Prozent eines normalen Jahresumsatzes.

Gibt es im Oktober trotz allem noch ein paar kleine Chilbis, wo man Sie antreffen kann?
Michèle Howald: Nach Wetzikon sind wir zuerst in Siebnen. Und nachher in Bremgarten. Ab dann ist es noch unklar. Es ist manchmal etwas kompliziert.

Kompliziert?
Peter Howald: Es gibt in diversen Gemeinden halt immer wieder Beamte, die so ihre Vorstellungen haben. Die kommen dann mit einem Haufen Vorschriften, sodass die Kosten explodieren. Aber ja.

Michèle Howald (37) ist mit ihrem Vater Peter Howald (66) Inhaberin der Howald Imbiss und Vergnügungsbetriebe AG. Noch bis 4. Oktober sind sie an der Chilbi in Wetzikon stationiert. Informationen zu weiteren bewilligten Jahrmärkten: www.schausteller-verband.ch.