100 Wörter: Platt und prächtig
Das Einzige, was er von dieser Gegend kannte, waren die in seiner Jugend berüchtigten Banden, die nach Bergtälern oder Automarken benannt waren. Deren Mitglieder waren inzwischen wohl zum grössten Teil gestorben, zumal bewaffnete Raubüberfälle einen Erwerbszweig mit erheblichem beruflichem Risiko darstellen und darum fast ausschliesslich von jungen Menschen ausgeführt werden. Nun, da er dieses zeitlebens weniger aus Abneigung denn aus Bequemlichkeit gemiedene Land zum ersten Mal bereiste, erstaunte ihn einerseits die Plattheit desselben und bewunderte er andererseits die Prachtbauten, die angeblich seit Jahrhunderten hier herumstanden, möglicherweise aber erst zu Beginn der Tourismusepoche von geschäftstüchtigen Landsleuten ersonnen und erbaut worden waren.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Letzten Herbst ist sein neuster Köbi-Krimi, «Pöschwies», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.