100 Wörter: Die Häuser der Herrschenden
Ob es überhaupt noch angebracht sei, Kunstmuseen zu besuchen, fragte sich Mindenschreck, waren doch die Auftraggeber oft brutale Herrscher, die Motive religiöse Propaganda oder Abbilder ebenjener Herrscherfamilien, die Künstler bis vor rund hundert Jahren immer weiss und männlich und häufig mit schlechten Manieren und Gewohnheiten belastet, die Häuser ehemalige Paläste. Moderne und Gegenwart sahen auch nicht viel besser aus. Ein hochspekulativer Kunstmarkt, renommierte Museen, die von Luxusgütermilliardären oder Opiatherstellern finanziert wurden, und das Publikum, neunmalkluges Bildungsbürgertum, um das einen grossen Bogen zu machen die Lebensqualität nachhaltig verbesserte, waren gewichtige Argumente dagegen. Nichtsdestotrotz kaufte sich Mindenschreck einen drei Tage gültigen Museumspass.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Letzten Herbst ist sein neuster Köbi-Krimi, «Pöschwies», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.