Im Kongress: Die grosse Ernüchterung

Nr. 45 –

Der ersehnte Erdrutschsieg der DemokratInnen ist auch im Kongress ausgeblieben: Die Partei hatte gehofft, ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus auszubauen und den Senat zu ihren Gunsten zu kippen. Zusammen mit einer Biden-Präsidentschaft hätte sie so zumindest während zweier Jahre, bis zu den nächsten «midterm elections», über wichtige Mehrheiten verfügt. Eine Reihe von Vorwahlumfragen hatte die DemokratInnen über Wochen hinweg hoffen lassen – etwa auf Sitzgewinne im Senat von Georgia über Kansas bis Alaska. Manche Resultate sind zwar bei Redaktionsschluss noch ausstehend, aber in den meisten Rennen, die als aussichtsreich galten, liegen die republikanischen KandidatInnen vorne. Prominente Parteiköpfe, bei denen gemutmasst worden war, ihr Einschwenken auf Trumps autokratische Linie könnte sie WählerInnenstimmen kosten, hielten sich ohne Probleme. Senator Lindsey Graham aus South Carolina etwa, der sich in den letzten vier Jahren als politischer Wendehals komplett unglaubwürdig gemacht hat, wurde mit komfortabler Mehrheit wiedergewählt.

Ähnlich sieht es für die umkämpften Rennen ums Repräsentantenhaus aus. Derzeit deuten die Zwischenresultate eher darauf hin, dass die demokratische Mehrheit schrumpft, als dass sie ausgebaut würde. Immerhin ist etwas frischer Wind von links zu erwarten: Mit Cori Bush, Mitglied der Democratic Socialists, wurde erstmals eine Schwarze Frau aus Missouri in den Kongress gewählt. Sie hatte im August überraschend die parteiinterne Vorwahl gegen den langjährigen Amtsinhaber William Lacy Clay gewonnen. Die ehemalige Krankenpflegerin und Pastorin ist eine Black-Lives-Matter-Aktivistin, die im Zuge der Proteste gegen Polizeigewalt in Ferguson vor sechs Jahren politisiert wurde. Sie dürfte künftig als Teil der «Squad» wahrgenommen werden, der Gruppe junger Politikerinnen, die in Washington hartnäckig auf einen progressiven Parteikurs pochen.

Neben Cori Bush dürften weitere Mitglieder der Democratic Socialists neu ins Repräsentantenhaus einziehen: In New York City eroberte der Lehrer Jamaal Bowman einen demokratischen Sitz, und nördlich der Stadt scheint dies gemäss Zwischenstand auch dem jungen Anwalt Mondaire Jones zu gelingen. In Illinois liegt darüber hinaus die selbsterklärte demokratische Sozialistin Marie Newman, die in den Vorwahlen von Illinois ihren konservativen demokratischen Vorgänger aus dem Rennen geworfen hat, knapp in Führung.