Proteste in Brasilien: Gegen die Rape Culture am Gericht
Am Sonntag gingen in Brasilien Tausende auf die Strasse, um gegen Sexismus und Gewalt an Frauen zu demonstrieren. Aktueller Anlass war eine Klage der 23-jährigen Influencerin Mariana Ferrer. Die junge Frau beschuldigt den 43-jährigen André de Camargo Aranha, Unternehmer und Sohn eines einflussreichen Anwalts, sie an einer Party im Dezember 2018 vergewaltigt zu haben. Der Richter kam zum Schluss, dass die vorgebrachten Beweise und die Aussage Ferrers nicht ausreichten, um zu belegen, dass es sich damals tatsächlich um eine Vergewaltigung gehandelt hatte. Zumindest nicht um eine «absichtliche» Vergewaltigung, so die Argumentation im Urteil.
Nicht nur der Entscheid des Richters, sondern auch die Prozessführung an sich sorgte für Empörung. Das Onlinemagazin «The Intercept Brasil» veröffentlichte Videoaufnahmen von der Anhörung, die wegen Corona online durchgeführt wurde. Darin ist zu sehen, wie der Anwalt des Angeklagten Mariana Ferrer anschreit und demütigt. Er hält Instagram-Fotos von ihr in die Kamera, die nichts mit dem Fall zu tun haben, und bezeichnet die junge Frau als niveaulos. Er hoffe, dass sein Sohn nie an eine Frau wie sie gerate. Als Ferrer in Tränen ausbricht, herrscht der Anwalt sie an, sie solle aufhören zu weinen, niemand kaufe ihr «die kleine Show» ab. Der Richter bietet der Klägerin zwar an, eine Pause zu machen und ein Glas Wasser zu trinken, weist den Anwalt aber nicht zurecht.
Kurz: Dieser Prozess vereint eine ganze Sammlung misogyner Stereotype und Strategien. Dass einer Frau, die angibt, Opfer sexueller Gewalt geworden zu sein, nicht geglaubt und ihr vor Gericht die Schuld zugeschoben wird, ist leider auch in Brasilien keine Seltenheit. Dass der Fall so hohe Wellen schlägt, ist hingegen aussergewöhnlich und lässt auf Veränderung hoffen. Die feministischen Proteste und das grosse Echo in den Medien haben inzwischen den Nationalen Justizrat auf den Plan gerufen, der angekündigt hat, das Verhalten des Richters zu untersuchen.