Kost und Logis: Tausend Dank!
Ruth Wysseier klebt Frau Humbel an den Kühlschrank
Es gibt ja viele Versionen des Ratschlags, man solle das, was man nicht ändern kann, gelassen hinnehmen, und da ist wohl was dran. Eine empfiehlt, Kaffee zu trinken, um die Probleme anzupacken, die man aus der Welt schaffen kann, und Wein, um die restlichen zu vergessen. 2020 war definitiv mehr Wein nötig als auch schon – eine Herausforderung, wenn man das Betäubungsmittel selber produziert.
Weil wir das Jahr schon fast hinter uns haben, will ich mich bedanken für alles, was ich wieder schätzen gelernt habe und was heuer besonders geholfen hat: Freundschaften, NachbarInnen, der Gemüse-Hauslieferdienst, die Bücherpakete von Paranoia City, der See – und jetzt, an den nebligen Abenden, die TV-Serien.
Für ihre überlebenswichtigen und scharfsinnigen Witze möchte ich mich herzlich bedanken bei Trevor Noah, Sarah Cooper, Michael McIntyre, Ralph Ruthe, Hazel Brugger, der «Heute-Show», Ruedi Widmer und Thomas Wiesel. Letzteren kennen Sie vielleicht noch nicht, ich kann den Lausanner allen, die Französisch verstehen, wärmstens empfehlen (als Einstieg sein «Merci L’UDC» auf Youtube).
Vielen Dank auch Andreas Caminada, Yotam Ottolenghi, Fooby, Swiss Milk und allen Facebook-BrotbackkünstlerInnen, die mir jeweils schon am Morgen den Mund wässerig machten mit ihren verführerischen Fotos und Rezepten. Ich habe seit meinen WG-Zeiten nicht mehr so viel ans Essen gedacht und selbst gekocht, und einiges ist gar nicht schlecht gelungen. Ich würde aus allen Nähten platzen, hätte es nicht Leute wie Ueli Maurer oder Ruth Humbel gegeben, deren dreiste Provokationen mir gelegentlich den Appetit verdorben haben. Ich mag das Zeug im Einzelnen nicht wiederholen, aber Humbels schändliche Worte und Taten als Krankenkassenlobbyistin haben mich aufs Äusserste gereizt. Ich wünsche ihr trotzdem nicht, dass sie im Spital landet und dankbar sein muss, wenn sie von den Pflegefachleuten, die sie angepöbelt hat, kompetent versorgt wird. Ich werde höchstens ein Foto von ihr an den Kühlschrank kleben, damit mir ihr Anblick bei Heisshungerattacken gleich auf den Magen schlägt.
Slavoj Žižek mag ich nicht wirklich danken dafür, dass er neulich schrieb: «Erwarten Sie nicht, dass der Wahlsieg von Joe Biden für die USA einen grossen Unterschied machen wird.» Ich denke, er liegt falsch. Denn ich habe gesehen, wie CNN-Kommentator Van Jones bei der Nachricht von Joe Bidens und Kamala Harris’ Wahlsieg vor Erleichterung in Tränen ausbrach und sagte: «Das ist eine grosse Sache für uns. (…) Es ist jetzt einfacher, Vater zu sein.» Vermutlich ist Žižek zu weit weg und zu weiss, um verstehen zu können, was vier Jahre mit einem aggressiv rassistischen Präsidenten für People of Color bedeutet haben. Darum danke, Van Jones, und danke, Black Lives Matter.
Und tausend Dank auch Sanna Marin und Jacinda Ardern, die, nachdem ich sie an dieser Stelle schon im März gelobt hatte, weiterhin so klug und erfolgreich regiert haben!
Ruth Wysseier ist Winzerin am Bielersee. Sie baut auch eigene Kartoffeln an.