Rüstungsindustrie: Die Handlangerin des Kriegsgeschäfts
Im Krieg in Bergkarabach kamen tödliche Drohnen zum Einsatz, die mit Schweizer Elektromotoren ausgestattet sind. Diese gelten als «industrielle Standardlösung» und unterliegen keinerlei Exporteinschränkungen. Drohnen sind der blinde Fleck des Schweizer Rüstungsexportwesens.
Die Tessiner Firma Faulhaber Minimotor SA stellt sich auf ihrer Website als renommierte Herstellerin von Motoren und Präzisionstechnologie für die Medizin- und Uhrenindustrie dar. Ein Schweizer Erfolgs-KMU: hoch spezialisiert, innovativ und scheinbar harmlos. Doch letzte Woche machte die armenische Investigativplattform «Hetq» publik, dass ein Elektromotor der Faulhaber Minimotor SA kürzlich in den Überresten einer israelischen Harop-Drohne gefunden wurde, die die aserbaidschanische Armee nahe der Stadt Schuschi im Krieg gegen Armenien eingesetzt hatte. Radio SRF nahm die Recherche Anfang dieser Woche auf und bestätigte den Sachverhalt.
Nicht bewilligungspflichtig
Wie aber gelangte das Schweizer Bauteil in die israelische Harop-Drohne – und damit in den Krieg in Bergkarabach? Der Elektromotor der Faulhaber Minimotor SA sei eine «industrielle Standardlösung», teilt das für die Exportkontrolle zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage mit. Das in die tödliche Drohne eingebaute Schweizer Bauteil, das mutmasslich beim Klappmechanismus der Flügel eingesetzt wird, gilt folglich noch nicht einmal als Dual-Use-Gut: Solche Elektroantriebe können an jedes Land verkauft werden, der Export ist nicht bewilligungspflichtig. Deshalb könne über die Verwendung von Schweizer Technologie in Israel keine Angaben gemacht werden.
Das Seco verweist diesbezüglich auf international harmonisierte Güterkontrolllisten, die von der Schweiz so übernommen werden. Anders ausgedrückt: Nach geltender Gesetzeslage gibt es derzeit keine Handhabe für die Schweizer Behörden, den Export solcher Elektromotoren zu verhindern, geschweige denn diesen auch nur zu kontrollieren.
Unternehmen wie die Faulhaber Minimotor SA profitieren von der lockeren Auslegung der Güterkontrolllisten. Der deutsche Mutterkonzern, die Unternehmensgruppe Faulhaber in Schönaich bei Stuttgart, beschäftigt weltweit über 2000 MitarbeiterInnen im Bereich Miniatur- und Mikroantriebstechnik und hat insgesamt siebzehn Tochterfirmen, davon sechs an Standorten in der Schweiz. Drei davon – die Faulhaber Precistep SA in der Uhrenstadt La Chaux-de-Fonds, die Faulhaber Minimotor SA im Tessin und die MPS Micro Precision Systems AG in Biel – tauchen bereits im WOZ-Rüstungsreport auf (siehe WOZ Nr. 29/2020 und ruestungsreport.ch ): als Zulieferer besonderer militärischer Güter, die zwar für militärische Zwecke konzipiert wurden, aber keine eigentlichen Waffen sind.
Alle drei Schweizer Firmen der Faulhaber-Gruppe schwiegen im Sommer gegenüber der WOZ über ihre Tätigkeiten im Rüstungsbereich. Auch die aktuelle Anfrage zur Faulhaber-Technologie im Bergkarabach-Krieg blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die uns vorliegenden Daten zeigen jedoch, dass die Schweizer Faulhaber-Tochterfirmen im Jahr 2017 Bewilligungen für den Export von besonderen militärischen Gütern im Umfang von rund vier Millionen Schweizer Franken erhielten. Ein Auftrag der MPS Micro Precision Systems AG sticht dabei besonders ins Auge: eine bewilligte Lieferung von Bauteilen in der Kategorie «Bomben, Torpedos und andere Flugkörper» im Wert von über 850 000 Franken an Israel. Um was für Bauteile es sich konkret handelt, ist unbekannt.
Drohnenmacht Israel
Der Vorfall aus Bergkarabach rückt exemplarisch die Rolle der Schweiz im globalen Rüstungsgeschäft ins Licht: Sie ist eine bedeutende Zulieferin im Milliardengeschäft mit dem Krieg. Eine Vielzahl von KMUs, die auf Präzisionstechnologie spezialisiert sind, profitiert von millionenschweren Rüstungsaufträgen, ohne dass diese in der offiziellen Exportstatistik auftauchen (siehe WOZ Nr. 44/2020 ). In der Öffentlichkeit werden KMUs wie die Faulhaber Minimotor SA jedenfalls nicht als Rüstungsfirmen wahrgenommen.
Israel ist seit den siebziger Jahren ein Pionierstaat in Sachen Drohnentechnologie und gilt längst – neben den USA – als global führende Drohnenmacht. Drohnen generieren mittlerweile über zehn Prozent der israelischen Rüstungsexporteinnahmen, schreibt die britische NGO Drone Wars. Allein die Harop-Drohne, die zur Kategorie der sogenannten Kamikaze-Drohnen zählt, wird von der Türkei, von Indien und Aserbaidschan sowie von Deutschland eingesetzt. Produziert wird sie vom staatlichen Rüstungsunternehmen Israel Aerospace Industries. Dessen Division Malat ist für die Produktion von über einem Dutzend Typen der unbemannten Luftfahrzeuge verantwortlich.
Kamikaze-Drohnen können bis zu neun Stunden über einem Ziel kreisen, um dann auf Befehl zu Boden zu stürzen und zu explodieren. Sie dienen dazu, Kriege immer weiter in alle möglichen Gebiete zu tragen: egal ob in einen versteckten Winkel einer Stadt oder in eine abgelegene Hütte in einer Bergregion. Überall kann heute jederzeit getötet werden – ohne Einsatz von Bodentruppen. VertreterInnen einer expansiven Kriegspolitik, etwa aus der Türkei, den USA oder Israel, argumentieren damit, dass durch den Einsatz von Drohnen Feinde mit weniger zivilen Opfern getötet werden könnten. KritikerInnen hingegen sehen in solchen Waffen ein Mittel, die Hemmschwelle für Kriege immer weiter zu senken.