WOZ-Rüstungsreport: Licht im dunklen Geschäftsfeld
Zum fünften Mal publiziert die WOZ ihren Rüstungsreport. Die Onlinedatenbank dazu legt die Exportgeschäfte der notorisch verschwiegenen, vielgliedrigen Schweizer Rüstungsindustrie offen.
Es herrscht reger Betrieb im beschaulichen Ochsenboden im Kanton Schwyz. Schwarze Mercedes-Busse, Militärfahrzeuge und Limousinen mit Diplomatenschildern fahren im Testzentrum des deutschen Rüstungsriesen Rheinmetall vor. Dort präsentiert der Konzern Mitte September ein neues Flugabwehrsystem: Skyranger 30, das die Schweizer Tochterfirma Rheinmetall Air Defence entwickelt hat. Ein Video zeigt, wie das System zwischen steilen bewaldeten Hügeln mit nur wenigen Schüssen eine Drohne vom Himmel ballert.
Das Geschäft mit Rüstungsgütern hat weltweit Konjunktur. Doch in der Schweiz schlägt die Branche Alarm: Durch eine zu restriktive Exportkontrolle sei ihre Zukunft gefährdet – und damit nichts weniger als die Wehrfähigkeit der Schweiz, behaupten ihre Vertreter:innen.
Seit 2020 analysiert die WOZ jährlich die an Schweizer Rüstungsfirmen erteilten Exportbewilligungen und bereitet diese für ihren Rüstungsreport auf einer eigenen Onlineplattform auf. Die Daten darin zeichnen ein differenziertes Bild: Auch wenn ihre Exporte 2023 rückläufig waren, bleibt das Geschäft der Rüstungsbranche höchst lukrativ. So stehen den Firmen vielfältige – auch heikle – Absatzmöglichkeiten offen.
Der Report, der am Erscheinungstag dieser WOZ in einer aktualisierten Version aufgeschaltet wird, erfasst die im vergangenen Jahr getätigten Exporte in den drei Rüstungsgüterkategorien «Kriegsmaterial», «besondere militärische Güter» sowie «Überwachungstechnologie». Jede der insgesamt 155 Firmen, die im letzten Jahrzehnt eine Exportbewilligung erhalten haben, ist mit einem eigenen Profil beschrieben. Auch dieses Jahr kontaktierte die WOZ zahlreiche dieser Firmen mit Fragen zu ihren Geschäften. Kaum eine antwortete.
Erstmals sind die Exporte kumuliert aufgeführt, was eine Klassifizierung der Branche über das letzte Jahrzehnt ermöglicht. Dabei zeigen sich klare Konturen – und grosse Differenzen innerhalb der einzelnen Kategorien.
Kriegsmaterial
Hier klafft aktuell noch eine Lücke: Mehrere Waffenfirmen verweigern die Herausgabe der Daten. Die Einsprachen der WOZ liegen derzeit beim überlasteten Büro des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Sobald uns die Daten vorliegen, aktualisieren wir den Report umgehend. Fest steht: Die tonangebenden Unternehmen in der Kategorie «Kriegsmaterial» – Waffen, Waffensysteme, Munition oder militärische Sprengmittel – sind Schweizer Tochterfirmen grosser internationaler Konzerne: Rheinmetall, General Dynamics (Mowag), die Ruag, gefolgt von diversen Schusswaffen- und Munitionsproduzenten wie der B & T AG aus Thun und einigen grossen Zulieferfirmen wie der Sauter, Bachmann AG. Den deutlich kleineren Anteil an Kriegsmaterialexporten machen kleine und mittlere Unternehmen aus, deren Hauptgeschäft oft nicht der Rüstungssektor ist.
Besondere militärische Güter
In dieser Kategorie gibt es einen klaren Spitzenexporteur: den Stanser Flugzeugbauer Pilatus. Dieser produziert sogenannte Trainingsflugzeuge zur Ausbildung von Kampfjetpilot:innen. Sie gelten nicht als Kriegsmaterial, sondern eben als besonderes militärisches Gut – und sind deshalb einem weniger strengen Exportkontrollregime unterworfen. Dies, obwohl sie, in modifizierter Form, auch für offensive Kriegshandlungen eingesetzt werden können – und werden (siehe WOZ Nr. 34/21). Auf Pilatus folgen erst mit grossem Abstand vor allem KMUs, die ganz unterschiedliche Produkte herstellen, aber auch grössere, spezialisierte Firmen wie Apco Technologies aus der Waadt, das Technologie und Bauteile für den Rüstungssektor herstellt und exportiert, oder Safran Vectronix aus Heerbrugg im St. Galler Rheintal, das optische Präzisionsgeräte produziert.
Überwachungstechnologie
Ein Blick auf die wichtigsten Exporteure von Überwachungstechnologie aus der Schweiz zeigt, dass sich in der Region Zug und Zürich eine Art Cluster gebildet hat. Die meisten Bewilligungen holte die Zuger Firma Atecs ein, die kürzlich von der US-Investmentgesellschaft CEA gekauft wurde. Hauptexportland war jeweils Pakistan. In Zürich domiziliert sind die NeoSoft AG, die mehrfach wegen kritischer Exportgeschäfte etwa nach Bangladesch in der Kritik stand, oder die Firma Decodio, die sich an kritischen Grenzüberwachungsprogrammen beteiligt.