Agrarpolitik: Aufschieben löst keine Probleme

Nr. 51 –

Die Agrarpolitik muss erweitert werden: «in Richtung einer ganzheitlichen Politik für gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion». Das ist eine gute Forderung. Kritische bäuerliche Organisationen stellen sie immer wieder. Denn es ergibt wenig Sinn, die Landwirtschaft ökologischer machen zu wollen, solange Handel, Transport und Konsum von Lebensmitteln alles andere als nachhaltig sind.

Die Forderung steht allerdings schief in der Politlandschaft: Sie ist Teil eines Postulats, mit dem die Wirtschaftskommission des Ständerats diesen Sommer vom Bundesrat einen Bericht «zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik» verlangt hat. Gleichzeitig entschied sie, die nächste, bereits aufgegleiste agrarpolitische Reformetappe zu sistieren. Am Montag ist der Ständerat seiner Kommission gefolgt: Die Agrarpolitik 22+ ist bis auf Weiteres auf Eis gelegt.

Nun gibt es gute Gründe, die Agrarpolitik 22+ zu kritisieren. Wie fast alle Reformanläufe seit 25 Jahren ist sie widersprüchlich, weil sie die Landwirtschaft zugleich ökologischer, kosteneffizienter und international konkurrenzfähiger machen soll. Doch wenigstens sieht sie endlich eine Besserstellung der Bäuerinnen vor, soll Biolandbau und Tierwohl stärker fördern und die Umweltprobleme angehen, die Pestizide und zu hohe Düngermengen verursachen – zu wenig konsequent, aber immerhin.

Doch selbst dieses zögerliche Vorgehen geht den rechtsbürgerlichen StänderätInnen zu weit. Sie verteidigen eine veraltete, schädliche Ideologie: Möglichst viele Kalorien produzieren, Kollateralschäden nimmt man in Kauf. Dass gerade sie «gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion» fordern, klingt hohl, denn die Verzögerungstaktik hat Gründe: Im Juni kommen zwei Initiativen gegen Pestizide an die Urne. Die Ständeratsmehrheit hofft, dass beide scheitern und ihre Forderungen danach vom Tisch sind. Das ist fahrlässig – und könnte zum Bumerang werden. Denn die Initiativen geniessen eine breite Zustimmung, und auch bei einem knappen Nein oder einem Nein der Stände ginge die Debatte garantiert weiter. Genau wie bei der Konzernverantwortung.