Daniel Dumile aka MF Doom (1971–2020): Übergang eines Antihelden

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Dass Daniel Dumiles Lebenspartnerin Jasmine den Tod ihres Mannes als «Übergang» mit zwei Monaten Verzögerung kommunizierte, passt in zweierlei Hinsicht zum britisch-amerikanischen Rapper: Erstens glaubte er nicht an das dualistische Verständnis von Leben und Tod, zweitens hielt er sein Privatleben konsequent aus der Öffentlichkeit heraus. Dumile als Privatperson war in seiner eigenen Kunst kaum zu erkennen. Umso mehr entwickelte die von ihm geschaffene Kunstfigur MF Doom ihre eigene Persönlichkeit, die zu einer stilprägenden Figur der weltweiten Hip-Hop-Bewegung avancierte.

In Anlehnung an die Figur Dr. Doom, den wichtigsten Antagonisten der Comicreihe «Fantastic Four», kreierte Dumile sein Alter Ego. Sein Gesicht verbarg Dumile bei allen öffentlichen Auftritten hinter einer metallenen Maske, in Videoclips war er praktisch nie zu sehen. Um MF Doom bastelte er eine Welt gespickt mit Bezügen zu Marvel-Comics, Science-Fiction, Afrofuturismus und Blaxploitation-Filmen. Seine mehrdeutigen Metaphern und verschachtelten Reimketten muteten manchmal dadaistisch an; sie waren hochkomplex und können getrost als avantgardistisch bezeichnet werden. Im Kern seiner Kunst spielte Dumile mit den stereotypen Vorurteilen der US-amerikanischen Dominanzgesellschaft, stellte moralische Dogmen, Sprechpositionen und die gesellschaftliche Deutungshoheit infrage. MF Doom war ein Schurke mit einer Maske, der die Oberschurken demaskierte.

Daniel Dumile verweigerte sich in Form und Inhalt den Mechanismen der globalen Musikindustrie. Stattdessen hinterlässt er ein Gesamtwerk, das in vielerlei Hinsicht dem Zeitgeist widerspricht. MF Doom war ein unideologischer Gegenentwurf zu den ideologiebeladenen Superhelden des Mainstreams. Hier blitzt womöglich der Mensch Daniel Dumile durch, dessen Kunst eine verspielte Utopie war, die sagte: Stell dir vor – alles kann anders sein.