Swisspeace: Friedenstechnik made in Basel
Die Stiftung Swisspeace aus Basel gilt international als renommierte und innovative Plattform für Friedensförderung. Ausgerechnet in der Schweiz selbst führt sie ein Schattendasein. Wieso eigentlich?
Diese Woche findet – den Umständen entsprechend digital – die fünfte Auflage des Basel Peace Forum statt. Über 650 TeilnehmerInnen aus der ganzen Welt haben sich für die Veranstaltung registrieren lassen, die von der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace organisiert wird. Auftreten werden etwa die saudi-arabische Künstlerin Ms. Saffaa, die mit ihrer ikonischen Arbeit – eine Frau mit Shemagh, einem traditionellerweise von Männern getragenen Kopftuch – eine Kontroverse entfachte, oder Robic Upadhayhay, der hinter der Onlinekampagne «Genug ist genug» gegen die Inkompetenz der nepalesischen Regierung im Umgang mit der Coronapandemie steht. Kunst als friedensstiftende Kraft.
Überhaupt zeugt das Programm des Basel Peace Forum davon, wie weit und offen Swisspeace das Feld der Friedensförderung begreift: Wie können Konflikte rund um den Rohstoffabbau verhindert und wie kann dies mit dem Ziel, weniger Kohlenstoff auszustossen, verbunden werden? Welche Rolle kann die Psychologie im Befriedungsprozess zwischen zerstrittenen Gruppen spielen?
In der Schweiz flogen das Basel Peace Forum und Swisspeace bisher weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. Wieso eigentlich?
Ein Blick in den Stiftungsrat von Swisspeace, seit 2010 ein assoziiertes Institut der Universität Basel, zeugt von gewisser Diversität: Dort sitzt etwa FDP-Ständerat Josef Dittli, den die WOZ 2019 zu einem der einflussreichsten Rüstungslobbyisten kürte. Oder Markus Mäder, im Verteidigungsdepartement zuständig für Armeeeinsätze im Ausland. Doch auch Jo Lang, ehemaliger grüner Nationalrat und langjähriger Aktivist der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), ist Mitglied. «Entscheidend ist nicht die Zusammensetzung des Stiftungsrats, sondern das Programm und die Aktivitäten der Stiftung selbst, und in dieser Hinsicht macht Swisspeace wirklich gute Arbeit – insbesondere wenn man bedenkt, dass ihr Budget bei acht Millionen Franken liegt», sagt der profilierte Schweizer Friedenspolitiker.
Verhärtet und politisiert
Breite politische Abstützung sei von Anfang an bewusst gesucht worden, erklärt Lang: «Das Ziel von Swisspeace ist es, die Forschung zur Friedens- und Sicherheitspolitik in die Politik sowie in die entsprechenden Institutionen und Organisationen zu tragen.» Deshalb seien auch enge Beziehungen zum Bund, insbesondere zum Aussendepartement, unerlässlich. Nicht umsonst ist der Bund auch ein wichtiger Geldgeber – neben dem Kanton Basel-Stadt, verschiedenen NGOs und Universitäten oder der Uno.
«Wir sind keine explizit politische Organisation», sagt auch Swisspeace-Direktor Laurent Goetschel. «Die Gründung 1988 war noch vom Kalten Krieg geprägt. Damals waren die Fronten zwischen den beiden Sphären Frieden und Sicherheit verhärtet und hoch politisiert.» Mit der Gründung der Schweizerischen Friedensstiftung sollte dieser Graben bewusst überwunden werden. Im Zentrum sollte die Frage stehen, wie die Forschungsarbeit zu Friedensförderung und Konfliktlösung besser in die Praxis und in politische Lösungen einfliessen könnte.
«Das ist bis heute so geblieben», sagt Goetschel und verweist als Beispiel auf die langjährige Begleitung des Friedensprozesses in Kolumbien. Swisspeace unterstützt etwa die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft dabei, Ermittlungsakten bereitzustellen, die für die künftige Vergangenheitsarbeit notwendig sind.
Ein weiterer Arbeits- und Forschungsschwerpunkt liegt in der Mediation: «Hier spielen Normen eine ganz wesentliche Rolle. Erst wenn diese geteilt werden, ist eine nachhaltige Lösung wahrscheinlicher.» In Kolumbien gehe es etwa um die Frage, wie man mit dem Bedürfnis der Zivilgesellschaft nach Bestrafung der Konfliktverantwortlichen, also der Paramilitärs einerseits sowie der Revolutionären Streitkräfte (Farc) andererseits, umgehen solle. Ist das prioritäre Ziel, weiteres Blutvergiessen zu verhindern, oder ein möglichst gerechter Frieden, der auch harte Strafen nach sich zieht – und eventuell neue Konflikte schürt? «Ohne Konsens in dieser Frage wird eine Mediation schwierig», sagt Goetschel.
Strukturelles Ungleichgewicht
Dass Swisspeace in den sicherheitspolitischen Debatten leider eine untergeordnete Rolle spiele, erklärt sich Jo Lang – neben dem Stiftungszweck, der keine offensive politische Rolle vorsieht – mit dem fehlenden Interesse der etablierten Politik. «Mit Ausnahme der Grünen setzt keine Partei aktiv auf das Thema zivile Friedensförderung als Alternative zu Militäreinsätzen. Das liegt auch daran, dass es schwierig ist, sich mit Friedenspolitik zu profilieren – im Gegensatz zu militärischen Initiativen, wo die Emotionen rasch hochkochen.»
Für Laurent Goetschel kommt ein strukturelles Ungleichgewicht dazu: «Hinter der Armee oder auch der Rüstungsindustrie stecken etablierte, grosse Akteure, die ihre angestammten Interessen verteidigen.» Deren Fokus sei stark auf die Innenpolitik gerichtet. Demgegenüber ist Swisspeace primär international ausgerichtet. «Aber wenn jemand auf uns zukommt mit innenpolitischen Fragen, die uns auch betreffen, etwa zu Kampfjets oder Waffenexporten, geben wir gerne eine Antwort», so Goetschel.
Weitere Infos zum Basel Peace Forum finden Sie unter www.basel-peace.org/2021.