Brief an Ueli Maurer: Gehts Ihnen wirklich um die Jungen?

Nr. 5 –

Sehr geehrter Herr Maurer

Finden Sie es eigentlich unfair, dass Alain Berset derzeit von «den Jungen» so viel Aufmerksamkeit bekommt? Über Ihren Westschweizer Kollegen gibt es viele Memes und liebevolle Satireaccounts, ja sogar einen erotischen Roman. Dabei waren doch Sie es, der sich während der Pandemie so rührend um die Zukunft «der Jungen» sorgte.

Letzte Woche bewilligte der Bundesrat weitere Milliarden für die Coronahilfe. Als gewissenhafter Buchhalter rechneten Sie vor: Die Schweiz verschulde sich pro Minute um 100 000 Franken. Staatsschulden, warnten Sie, die «meine» Generation später wird zurückzahlen müssen. Sie erweckten den Eindruck, man müsse jetzt den Gürtel enger schnallen, damit «wir» später nicht auf den Schulden hocken bleiben.

Nun, ich bin von Berufs wegen Pessimistin. Ich gehe davon aus, bis siebzig arbeiten zu müssen, und rechne damit, nicht wirklich viel Geld zu bekommen, wenn ich irgendwann mit schlechtem Rücken in den Ruhestand entlassen werde. Aber ich bin ebenso sicher, dass ich meine Misere nicht den KMUs, GastronomInnen und Kurzarbeitenden in die Schuhe schieben werde.

Wenn Ihre Sorge um die nächste Generation ehrlich ist: Warum wollen Sie gerade jetzt den Rotstift ansetzen? Sparpakete treffen alle, besonders die von Ihnen doch so geschätzte Jugend. Wenn Sie sich wirklich um die nächste Generation scheren würden, würden Sie die Unternehmens- und Vermögenssteuer erhöhen. Das werden Sie aber nicht. Weil es Ihnen weder um «die Jungen» geht noch um «die Wirtschaft». Sie sprechen von Güterabwägung und Generationensolidarität, meinen aber das Kapital.

Zum ersten Mal so richtig aufmerksam wurde ich auf Sie, als Sie in Zug für die Beschaffung des Gripen-Kampfjets warben. Damals sagten Sie als VBS-Vorsteher: «Wie viele dreissig Jahre alte Gebrauchtgegenstände haben Sie noch zu Hause?» Die Antwort gaben Sie gleich selbst: «Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst.»

Umgekehrt frage ich Sie heute: Wie viele Finanzminister mit antiquierten Vorstellungen haben wir noch im Bundesrat? Die Antwort gebe ich gleich selbst: zu viele.

Freundliche Grüsse, Natalia Widla