LeserInnenbriefe

Nr. 6 –

Drastische Ausnahmen

«Das Beispiel Neuenburg: Und von der Westschweiz aus ins ganze Land», WOZ Nr. 4/2021

Mindestlöhne sind absolut zu befürworten, denn sie garantieren zumindest teilweise ein genügendes Einkommen! Allerdings haben alle vier Kantone mit bereits bestehenden Mindestlöhnen (Genf, Neuenburg, Jura und Tessin) drastische Ausnahmen eingeführt, zum Beispiel für LandarbeiterInnen: Genf – Mindestlohn 2021 Fr. 23.14, LandarbeiterInnen Fr. 17.– und Blumenzucht Fr. 15.60! Neuenburg – Mindestlohn 2021 Fr. 19.90, LandarbeiterInnen Fr. 16.92! Und so weiter …

Ist denn die Landarbeit weniger wertvoll als andere Wirtschaftszweige?

Philippe Sauvin, Genf

Molina träumt

«Freihandel: ‹Indonesien ist ein Grenzfall›», WOZ Nr. 4/2021

SP-Nationalrat Fabian Molina unterstützt das Freihandelsabkommen mit Indonesien. Im Interview sagt er zwar, dass Indonesien ein Grenzfall sei, ist jedoch offenbar überzeugt, dass sich das Land in Sachen Korruption langsam, aber stetig verbessere. Andererseits gebe es aber eine Grenze, etwa im Fall von China. Gemäss Korruptionsindex der Universität Passau liegt China auf Platz 81 von 179 Ländern, Indonesien auf Platz 87. Mindestens in diesem Punkt steht China leicht besser da.

Nicht bis zu Molina vorgedrungen scheint zu sein, dass Indonesien keineswegs auf dem Weg zur Besserung ist. Im vergangenen Jahr wurde das Umweltrecht stark geschwächt, und das Militär gewinnt weiter an Einfluss.

Molina ist nicht der Einzige, der von der Schweiz als Vorbild für die Welt träumt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Schweizer Aussenhandels seien Nachhaltigkeitskriterien mit eingeschlossen worden. Das sei ein Paradigmenwechsel und habe Hebelwirkung auf das Abkommen zwischen Indonesien und der EU. Hoch lebe Helvetia und die sieben Zwerge!

Auch er glaubt an das RSPO-Label, das uns der Bundesrat als nachhaltig verkauft. 2018 wurde es im Hinblick auf die Abstimmung leicht verschärft. Aber was soll die Vorgabe, dass der Urwald nicht später als 2005 abgeholzt worden sein darf, wenn daneben fleissig weiter abgeholzt wird und für Plantagen kurz vorher vielfältigste Urwälder mit Bulldozern zerstört oder abgebrannt wurden?

Wer Literatur über den Palmölanbau in Indonesien studiert, weiss, dass es kaum möglich ist, die Lieferketten zu kontrollieren. Die Angaben über den phänomenalen Ertrag der Palmen dürften nicht der Wirklichkeit entsprechen, denn bis sie den maximalen Ertrag bringen, dauert es Jahre. Nach 15 bis 20 Jahren nimmt der Ertrag bereits ab, sodass die Palmen spätestens mit 25 Jahren ersetzt werden müssen. Hinzu kommt, dass die Strassen in der Regenzeit an vielen Orten unpassierbar sind, sodass die dann reifen Früchte verrotten.

Nicht zur Sprache kommt das Problem der Monokulturen in einem feuchtwarmen Klima. Es breiten sich in den Ölpalmen-Anbaugebieten rund um die Welt Schadorganismen wie der Pilz Phytophthora palmivora aus, auch in Indonesien. Besonders die totgespritzten alten Ölpalmen dürften ein gefundenes Fressen für Schädlinge und Pilze aller Art sein.

Es erstaunt mich, dass so viele Leute und besonders PolitikerInnen die Realität nicht sehen, die Tag für Tag in den Medien verbreitet wird. Wie kann man nur so naiv sein?

Marianne Bodenmann, dipl. Ing. agr. ETH, Dr. sc. techn., ehemals Leiterin Kommunikation Agroscope Zürich-Reckenholz, Pusserein

Um Entschuldigung bitten!

«Gleichstellung und Befreiung: Und dann veränderte sich die Waschküche», WOZ Nr. 5/2021

Ehemalige Sklavenhalter entschuldigen sich. Ehemalige Kolonialreiche entschuldigen sich. Auch andere Unterdrücker und Missetäter entschuldigen sich. Manchmal ist dabei tatsächlich Reue im Spiel.

Zu meinem runden, schon etwas höheren Geburtstag wünsche ich mir, dass jene Schweizer Männer, die vor 62 Jahren den Schweizer Frauen das Stimmrecht verweigert haben, um Entschuldigung bitten! (Aufgrund der offiziellen Schweizer Politik war uns dieses bereits vorher jahrzehntelang vorenthalten worden!) Viele werden es nicht sein; die jüngsten der damals Stimmberechtigten sind heute über achtzig Jahre alt. Die meisten der betroffenen Frauen sind heute auch alt oder leben nicht mehr. Alle Schweizer Frauen mussten damals – wegen Engstirnigkeit und Konkurrenzangst, zäher Vorurteile und Grossmannssucht der meisten Männer und wegen einer rückständigen gesellschaftlich-politischen Stimmung – weitere zwölf Jahre auf das gleiche Recht der parlamentarischen Teilhabe warten.

Schweizer Frauenstimmrechtsverweigerer – outet euch! Sagt uns, dass ihr in der Zwischenzeit eure Überheblichkeit, eure frauenfeindlichen Vorurteile und euren Demokratiegeiz überwunden habt. Ihr dürft uns auch gerne eine Art Genugtuung anbieten! Wobei wir Frauen dann selbst darüber befinden würden, in welcher Form diese annähernd angemessen ausfallen könnte.

Rosemarie Imhof, Allschwil

Killergames

«Auf allen Kanälen: Verschwörung frei Haus», WOZ Nr. 5/2021

«Onlinebuchhandlungen bieten heute offen zum Verkauf, was einst nur in der Schmuddelecke aufzutreiben war: Verschwörungsliteratur – algorithmisch gepusht und im Sonderangebot», schreibt Natalia Widla in der WOZ. Die Onlinebuchhandlungen wollen diese Publikationen nicht aus dem Sortiment nehmen, wie Frau Widla schreibt.

Nicht in der Schmuddelecke zu finden sind Killergames, die Ex Libris, Orell Füssli, Thalia und viele andere Händler in ihren Sortimenten haben, sogar Bibliotheken. Killerspiele sind für die Spielindustrie ein Bombengeschäft und beim realen Militär beliebt, weil sie das Militärische und Kriege als Teil des Alltags erscheinen lassen. Mit Killer-Games wird das Militär schon den Kindern schmackhaft gemacht. Die Rekrutierung von Soldaten wird so erleichtert. In Games werden auch Feindbilder aufgebaut, die notwendig sind, um Kriege überhaupt führen zu können: Einmal sind diese Feinde, die man am PC zum Spass tötet, «Islamisten», «Araber», dann «Chinesen», und natürlich wie früher wieder einmal «Russen».

«Tages-Anzeiger», NZZ, «20 Minuten» und andere Medien stellen regelmässig die neusten Games vor, auch Kriegsspielgames. Sie sollen harmlos sein, suggerieren uns die Journalisten. So ist es nicht erstaunlich, dass Postfinance, eine Tochter der Schweizer Post, E-Sportler – Computer-Kriegsspiel-Gamer, die an Turnieren teilnehmen – mit 400 000 Franken unterstützte, wie im «Blick» zu lesen war.

Videospielhersteller kooperieren oft auch mit Militärunternehmen. Einige dieser Firmen stellen für das Militär Trainingsvideos her. Videos, die für Armeen produziert wurden, passt man für Freizeitgamer an, und umgekehrt. Die Entwickler greifen bei der Darstellung der Games gern auch auf reales Militärgerät zurück, in Deutschland auf den Panzer «Leopard», den «Eurofighter» und so weiter. Der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern, der auch in Zürich Oerlikon Kriegsgerät produziert, ist mit seinen Fahrzeugen mit dem Rheinmetall-Logo ebenfalls dabei.

Heinrich Frei, Zürich