Impfpass: Zutritt nur für Geimpfte

Nr. 10 –

Israel hat ihn schon, die EU möchte ihn, Schweiz Tourismus liebäugelt damit: Doch ein Impfpass kann auch zu Diskriminierungen führen.

Lust auf Theater oder Pumpen im Fitnessstudio? Mit dem «grünen Pass» öffnen sich in Israel Türen, durch die längst noch nicht alle gehen können. Foto: Petra Edlbacher, APA/Keystone

Am vergangenen Freitag fand in Tel Aviv seit langem wieder ein Popkonzert vor Publikum statt. 500 Menschen durften in einem Stadion, das Platz für 30 000 bietet, den Songs von Ivri Lider lauschen. Zugelassen wurden sie jedoch nur, wenn sie eine vollständige Covid-19-Impfung vorweisen konnten und Masken trugen.

Auch andere Lockerungen sind in Israel derzeit jenen rund vierzig Prozent vorbehalten, die sich bereits haben impfen lassen: So ist ein Besuch im Fitnessstudio, Theater oder Hotel mit dem digitalen «grünen Pass» ohne Einschränkungen möglich. Dieser weist in einer App via QR-Code eine erfolgreiche Impfung oder eine nachgewiesene Covid-Genesung aus.

In Israel sollen damit die Einschränkungen der vergangenen Monate langsam rückgängig gemacht werden – obwohl die Fallzahlen nach wie vor hoch sind. Zugleich dürften der «grüne Pass» und die damit verbundenen Privilegien auch die ins Stocken geratene Impfkampagne wieder vorantreiben. In den letzten Tagen nahm die Anzahl Impfungen pro Tag deutlich ab; mittlerweile werden täglich nur noch halb so viele Menschen geimpft wie noch vor einem Monat. Insbesondere bei den Jungen steigt die Impfquote nur langsam: Bei den unter Sechzigjährigen sind bisher lediglich zwanzig Prozent komplett geimpft.

Auch in der EU soll ein länderübergreifender Impfpass eingeführt werden – und zwar in den nächsten drei Monaten. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. Das Ziel sei, dass Geimpfte und Genesene mit einem digitalen «grünen Pass» ihre Immunisierung fälschungssicher nachweisen könnten. «Wir wollen in den nächsten Monaten die technischen Voraussetzungen schaffen», sagte von der Leyen nach einem EU-Gipfel zum Thema. Bereits am 17. März soll ein entsprechender Gesetzesentwurf vorliegen.

Das Reisen erleichtern

Die Hoffnung besteht, dass mit einem Impfpass die Reisebeschränkungen in Europa noch vor dem Sommer gelockert werden können. Darauf pochen insbesondere Tourismusdestinationen, die auf einfaches Reisen angewiesen sind. Bereits heute drohen einige Länder mit Alleingängen und bilateralen Abkommen. Israel, Griechenland und Zypern wollen ihre Grenzen für nachweislich Geimpfte öffnen. Auch Schweden und Dänemark wollen unabhängig von der EU Nägel mit Köpfen machen; bis im Sommer soll dort ein digitaler Impfnachweis auf dem Smartphone bereit sein.

Mit Reiseerleichterungen für Geimpfte liebäugelt man auch in der Schweiz. Der Schweizer Tourismus-Verband liess gegenüber dem «Bund» verlauten: «Wir unterstützen Massnahmen, die dem Tourismus die dringend benötigten Gäste zurückbringen.» Es sei im Sinne der Branche, wenn ein Impfnachweis internationale Reisen erleichtere. Dabei wird die Entwicklung in der EU genau beobachtet. Würden dort Reiseerleichterungen eingeführt, müsse auch die Schweiz nachziehen, «damit kein Wettbewerbsnachteil entsteht». Gemäss Bundesamt für Gesundheit beteiligt sich die Schweiz an den Gesprächen mit der EU und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gleichzeitig tüftelt der Bundesrat an differenzierten Einschränkungen je nach Impfstatus.

Kritik von der WHO

Der Impfpass ist dabei hoch umstritten. Sogar die WHO lehnt die angedachten Impfpässe ab. Es sei unsicher, wie lange eine Immunität anhalte, erklärte der Regionaldirektor der WHO Europa, Hans Kluge, in der deutschen Zeitung «Die Welt». «Wir verstehen, dass Regierungen mit der politischen Realität konfrontiert sind», sagte Kluge. Entsprechend sei die Einführung «wohl unvermeidlich». Dennoch empfehle man keinen Impfpass. Dabei spielt auch die wissenschaftlich noch nicht restlos geklärte Frage eine Rolle, ob Geimpfte das Virus weiterverbreiten können oder nicht. Denn nur falls eine Impfung auch gegen die Weitergabe schützt, lassen sich Reise- und Zugangserleichterungen ansatzweise rechtfertigen.

Die impfbedingten Lockerungen rücken mögliche Diskriminierungen in ein scharfes Licht. Wer sich nicht impfen lassen kann oder will, droht vorerst oder längerfristig von Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen zu werden. Das betrifft insbesondere jene Bevölkerungsgruppen, die schlechten oder gar keinen Zugang zu Impfstoffen haben: Ihre Grundrechte bleiben länger beeinträchtigt als diejenigen der Geimpften. Die belgische Aussenministerin Sophie Wilmès begrüsste zwar auf Twitter einen standardisierten Impfnachweis, kritisierte aber die Idee eines Passes: «Für Belgien geht es nicht darum, Impfungen mit Bewegungsfreiheit in Europa zu verknüpfen.» Nichtgeimpfte dürften nicht diskriminiert werden.

Auch über die technische Ausgestaltung eines digitalen Impfnachweises wird heftig gestritten. Wenn ein Nachweis in Zukunft immer wieder vorgewiesen werden muss, bietet sich eine digitale Lösung an. Entsprechend ist in Israel der «grüne Pass» mit einem QR-Code verbunden. Die EU verfolgt ein ähnliches Modell. Für DatenschützerInnen dürfen dabei aber keine zentralen Datenbanken entstehen, auf denen Gesundheitsdaten und der Impfstatus gespeichert wären – denn damit drohten Überwachung und neue Begehrlichkeiten, die Daten für andere Zwecke zu nutzen. Stattdessen plädieren sie für eine Weiterentwicklung des dezentralen internationalen Impfausweises, den es seit Jahrzehnten gibt.