Präsidentschaftswahl in Peru: Auf jeden Fall autoritär

Nr. 16 –

Die rechte Kandidatin Keiko Fujimori ist altbekannt. Pedro Castillo, der Sieger des ersten Wahlgangs, ist dagegen nur schwer zu entschlüsseln.

Auf diese Paarung hätte kaum jemand gewettet. Von den vierzehn Kandidaten und zwei Kandidatinnen, die sich beim ersten Wahlgang vom 11. April um die Präsidentschaft von Peru beworben hatten, blieben Pedro Castillo und Keiko Fujimori für die Stichwahl am 6. Juni übrig. Die 45-jährige Fujimori ist eine alte Bekannte. Nachdem sich ihr diktatorischer Vater, Alberto Fujimori (1990 bis 2000), der derzeit eine 25-jährige Haftstrafe wegen des Einsatzes von Todesschwadronen abbüsst, von seiner Frau getrennt hatte, fungierte Tochter Keiko ab 1994 ersatzweise als «First Lady». 2011 und 2016 war sie bei den Stichwahlen um die Präsidentschaft jeweils knapp unterlegen, diesmal waren die 13,4 Prozent, die sie eingefahren hat, schon eine Überraschung. Sie galt als verbraucht, in den Umfragen vor der Wahl hatte sie nie ein zweistelliges Ergebnis erreicht. Wofür sie steht, ist klar: für einen knallharten neoliberalen Wirtschaftskurs, gepaart mit einem autoritären Regime. Im Falle einer Wahl wolle sie als Erstes ihren Vater begnadigen, sagte sie.

Aber wer ist Pedro Castillo, mit 19,1 Prozent Sieger des ersten Wahlgangs? In der Hauptstadt Lima war der 51-jährige Grundschullehrer vor der Wahl kaum jemandem bekannt. 2017 stand sein Name ein paarmal in den Zeitungen, weil er in jenem Jahr einer der Anführer eines LehrerInnenstreiks in mehreren Provinzen war, der 75 Tage währte, höhere Löhne forderte und sich gegen eine Bildungsreform richtete. Castillo steht für das ländliche andine Peru. Er stammt aus der Provinz Cajamarca im Norden, einer der ärmsten des Landes, in der die grösste Goldmine Südamerikas liegt. Im Hinterland operieren die letzten Reste der maoistischen Guerilla Leuchtender Pfad, und auch Castillo ist von deren Ideologie beeinflusst. Schon als Jugendlicher hatte er sich paramilitärischen Gruppen angeschlossen, die in vom Staat vernachlässigten Dörfern zum Teil sehr rabiat ihre Vorstellungen von Ordnung durchsetzten. Er bezeichnet sich selbst als Marxisten-Leninisten und glaubt, dass eine Revolution auf dem Land beginnen und dann in die Städte getragen werden müsse. Im Wahlkampf hat er oft wiederholt: «Keine Armen mehr in einem reichen Land!»

Gegner gleichgeschlechtlicher Ehen

Als Präsident will Castillo die Minen genauso verstaatlichen wie die Erdöl- und Erdgasförderung. Er will mehr Geld in Bildung und Landwirtschaft stecken und das privatisierte Rentensystem durch ein staatliches ersetzen. Er will eine neue Verfassung ausarbeiten und die Mitglieder der höchsten Gerichte direkt vom Volk wählen lassen. So weit erinnert das an die linkspopulistischen Regierungen von Hugo Chávez in Venezuela (1999 bis 2013) und Evo Morales in Bolivien (2006 bis 2019).

Davon abgesehen klingen Castillos Vorstellungen stockreaktionär und autoritär. Er ist ein vehementer Gegner von gleichgeschlechtlichen Ehen und dem Recht auf Abtreibung. Er findet, Mädchen und Jungen müssten von der Grundschule an unterschiedlich erzogen werden. Er will auf dem Land die paramilitärischen Einheiten wieder aufbauen, in denen er selbst einst gedient hat. Die sollen dann mit harter Hand gegen Kriminelle vorgehen. Er will die Amerikanische Menschenrechtskonvention aufkündigen und die Todesstrafe einführen. Illegale EinwanderInnen – das sind in Peru vor allem VenezolanerInnen – müssten innerhalb von drei Tagen nach seinem Amtsantritt das Land verlassen.

Der peruanische Historiker Javier Puente, der an der Frauenuniversität Smith College im US-amerikanischen Northampton über lateinamerikanische Landreformen und Campesinobewegungen forscht, sagt wegen solcher Einstellungen über Castillo: «Er ist kein Linker.» Seine Mischung aus Ethnonationalismus und Paramilitarismus sei eine Neuauflage von rechten autoritären Projekten; er sei «ein Vertreter der peruanischen und lateinamerikanischen Rechten mit Charakterzügen der radikalen Linken».

Wahl zwischen Pest und Cholera

Die PeruanerInnen haben am 6. Juni also die Wahl zwischen Pest und Cholera. Gegen einen Sieg Fujimoris spricht, dass in Umfragen 55 Prozent der Befragten sagten, sie würden sie nie und nimmer wählen. Zudem haftet ihr der Geruch der Korruption an, und dies ist in Lateinamerika eines der entscheidenden Themen bei Wahlen. Fünf peruanische Präsidenten der vergangenen zwanzig Jahre wurden wegen Korruption angeklagt. Drei warten auf ihren Prozess, einer – Alejandro Toledo (2001 bis 2006) – ist in die USA geflohen, wo noch nicht über seine Auslieferung entschieden wurde. Alan García (1985 bis 1990 und 2006 bis 2011) erschoss sich, als die Polizei vor zwei Jahren an seiner Haustür klingelte. Auch Keiko Fujimori wurde schon zwei Mal wegen Korruption verhaftet. Derzeit ist sie gegen Kaution auf freiem Fuss.

Trotzdem dürfte es Castillo sehr schwer haben, über seine ländliche Basis hinaus Stimmen zu gewinnen. Sein Auftritt mit breitkrempigem Sombrero auf einem Pferd mag in den Dörfern gerne gesehen werden. In den Städten, wo 78 Prozent der Peruaner leben, wirkt so etwas eher hinterwäldlerisch.