Proteste in Peru: «Gerade keine gute Zeit»

Nr. 15 –

Auf den Tag genau dreissig Jahre nach Alberto Fujimoris Putsch verhängt der aktuelle peruanische Präsident Pedro Castillo erneut eine Ausgangssperre. Die anhaltenden Unruhen im Land kriegt er damit aber nicht klein.

Am 5. April 1992 verhängte der damalige peruanische Präsident Alberto Fujimori eine Ausgangssperre, um Proteste gleich im Keim zu ersticken. Er schickte Panzer auf die Strassen, löste das Parlament auf und liess Gerichte von Sicherheitskräften besetzen. Der Putsch war der Beginn seiner acht Jahre dauernden autokratischen Herrschaft.

Seither hat sich kein Präsident mehr des Mittels der Ausgangssperre bedient. Bis zum 5. April dieses Jahres, auf den Tag genau dreissig Jahre nach dem Putsch Fujimoris. Da befahl der heutige Präsident Pedro Castillo seinen Landsleuten in einer Fernsehansprache, sie müssten für 24 Stunden zu Hause bleiben. Peru, so Castillo, «erlebt gerade keine gute Zeit».

Streiks und Sitzblockaden

Auch diese Ausgangssperre sollte Proteste ersticken. Seit gut zwei Wochen gibt es in Peru Demonstrationen, Streiks und Strassenblockaden. Vier Menschen wurden von Sicherheitskräften erschossen. Nur in der Hauptstadt Lima war es ruhig geblieben. Der militärische Geheimdienst aber wollte herausgefunden haben, dass sich dies am 5. April ändern sollte. Man habe Erkenntnisse, dass für diesen Tag auch in der Hauptstadt Unruhen geplant seien. Dem wollte Castillo mit der von Sicherheitskräften durchgesetzten Ausgangssperre zuvorkommen.

Anlass der massenhaften Proteste waren Preiserhöhungen für Benzin und Düngemittel, die von Grosshändlern und Spekulantinnen mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine begründet worden waren. Bald schossen auch die Preise für Lebensmittel in die Höhe. Darunter leidet vor allem die arme Bevölkerung, die sich noch lange nicht von der durch die Covid-19-Pandemie verursachten Einkommenskrise erholt hat. Peru hat unter der Krankheit gelitten wie kein anderes Land in Lateinamerika. Im Verhältnis zur Bevölkerung gab es mehr als doppelt so viele Tote wie in Brasilien, insgesamt weit über 200 000.

Die Proteste hatte der Präsident zunächst ignoriert und sie dann als den von dunklen Mächten finanzierten Versuch abgetan, seine Regierung zu destabilisieren. Für seinen Verteidigungsminister waren die vier Toten eine Lappalie.

Wirres Wahlprogramm

Seit Castillo im Amt ist, kämpft er um sein politisches Überleben. Er war eher durch Zufall Präsident geworden. Im ersten Wahlgang im April vergangenen Jahres hatte der Volksschullehrer und Gewerkschafter neunzehn Prozent der Stimmen bekommen – mit einem ziemlich wirren Programm. Wirtschaftspolitisch steht er links und kündigte an, er wolle den Bergbau zumindest teilweise verstaatlichen. Sicherheits- und sozialpolitisch aber steht er ganz rechts. Er befürwortet die Todesstrafe und den Aufbau paramilitärischer Bürgerwehren und verlangt ein striktes Verbot von Abtreibungen und gleichgeschlechtlicher Ehe.

Aber das Wahlvolk hatte genug vom politischen Establishment, und Castillo gehörte nicht dazu. Von den vier nach Fujimori gewählten Präsidenten sitzen zwei wegen Korruption in Haft, einer erschoss sich kurz vor seiner Verhaftung, und der vierte darf wegen laufender Ermittlungen das Land nicht verlassen. Auch Keiko Fujimori, die Tochter von Alberto Fujimori und Castillos Gegnerin in der Stichwahl vom Juni, war nur vorläufig auf freiem Fuss. Castillo gewann mit dem hauchdünnen Vorsprung von 0,2 Prozentpunkten.

In seinen acht Monaten im Amt hat der Präsident keine einzige Reform angestossen. Seine Partei Perú libre verfügt im Parlament nur über 37 der 130 Sitze, seine Regierung ist eine ständige Baustelle. Alle paar Wochen werden Minister entlassen oder treten zurück, meist wegen Korruptionsvorwürfen; ein ehemaliger Minister soll seine Ehefrau verprügelt haben.

Auch die Ausgangssperre vom 5. April hielt keine 24 Stunden. Nach Protesten nahm Castillo sie wieder zurück. Danach sah man in Lima ebenfalls brennende Barrikaden und Polizisten, die mit Tränengasgranaten auf Demonstrant:innen schossen. Der Tag wurde zum Sinnbild für eine bislang verpfuschte Präsidentschaft.