LeserInnenbriefe :

Nr.  17 –

Passend und stimmig

«LeserInnenbriefe: Verzicht aufs Binnen-I», WOZ Nr. 14/2021

Ich finde die Zuschrift von Richard Grand sehr passend. Es gibt kaum was hinzuzufügen, die Argumente sind durchwegs überzeugend, tun der schönen deutschen Sprache gut, sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Ausdruck, und wenns jetzt dann noch ein Sternchen gibt, um Aufgeschlossenheit zu zeigen, wird es fast lächerlich – zumindest aus meiner Sicht.

Christian Becker, Kilchberg

Beide Formen auszuschreiben, ist in der Regel kaum aufwendiger, als das Binnen-I zu verwenden. Christof Arn hat in «Agile Hochschuldidaktik» die Geschlechter ausgewogen angesprochen und einfach abwechslungsweise mal von Professorin oder von Schüler sowie von Lehrer und Schülerin geschrieben. Mit dieser Art fühlte ich mich als Frau ganz neu angesprochen. Hätte er stets von Professorin und Professor, Schüler und Schülerin geschrieben, wäre diese Wirkung ausgeblieben. Vielleicht kann die WOZ ja damit mal experimentieren?

Cathrin Kaufmann, Zürich

Trinkwasser und Direktzahlungen

«Pestizidinitiativen: Nein, Bio Suisse spinnt nicht», WOZ Nr. 16/2021

Der Entscheid der Bio-Suisse-Delegierten gegen die Trinkwasserinitiative wurde in meinen Augen aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus gefällt. Sie verkriechen sich unter die Fittiche des Bauernverbands – des gleichen Verbands, der an den Problemen der BiolandwirtInnen nicht ganz unschuldig ist. Sicher ist, dass die Ablehnung lediglich die bestehenden Probleme zementiert. Eine Annahme der Initiative jedoch böte zumindest die Chance, gewisse festgefahrene Gleise der heutigen Agrarpolitik neu zu denken. Die konkrete Ausgestaltung dieser Politik liegt ohnehin in den Händen des Parlaments – da kann sich dann Bio Suisse mit dem Bauernverband zusammen für eine praxistaugliche Umsetzung starkmachen.

Marianne Winzeler, per E-Mail

Wie bei vielen Themen empfinde ich die Berichterstattung der WOZ auch zu den aktuellen Agrarinitiativen als sehr informativ und fundiert. Umso mehr bin ich erschrocken, wie negativ sie bei Leserbrief-SchreiberInnen der letzten Ausgaben angekommen ist. Daher ist es an der Zeit, mit einer anerkennenden Rückmeldung ein Gegengewicht zu schaffen. In keiner andern Zeitschrift lese ich so gute Analysen zu kontroversen Agrarthemen wie in der WOZ, insbesondere dann, wenn Bettina Dyttrich zur Feder gegriffen hat. Ihre Erklärung des Neins von Bio Suisse zur Trinkwasserinitiative ist echt guter Journalismus.

Zu einer Bemerkung eines Leserbriefschreibers kann ich nicht schweigen. Weil wahrscheinlich auch ihm klar geworden ist, dass die Trinkwasserinitiative nicht halten kann, was sie verspricht, versteigt er sich zu folgendem Satz: «Hören wir also auf, so zu tun, als müsste eine Initiative so umgesetzt werden, wie es per Wortlaut definiert ist.» Diese Aussage erschüttert mein Verständnis der direkten Demokratie. Immerhin steht der Initiativtext dann in der Verfassung und setzt den Rahmen für die Gesetzgebung. Ganz darüber hinwegsetzen kann sich auch das kreativste Parlament nicht. Also halte ich mich weiterhin an die Wortlaute, die uns StimmbürgerInnen vorgesetzt werden, und nutze zu meiner Meinungsbildung auch die redaktionellen Beiträge der WOZ.

Jakob Rohrer, ehemaliger Biolandbauberater, Hobby-Bioobstbauer

Bio Suisse hat sich gegen die Trinkwasserinitiative ausgesprochen, über die wir am 13. Juni abstimmen werden. Was die WOZ auf Seite 1 mit keinem Wort erwähnt, ist das Trinkwasser. Es geht bei dieser Initiative um das «Trinkwasser» und nicht um die Biobauern, wie der Artikel vermeintlich suggeriert.

Ist es nicht eigentlich eine liberale und konsequente Forderung, dass es keine Direktzahlungen an Bauern geben soll, die unser Trinkwasser vergiften? Seit Mitte des 20. Jahrhunderts bleibt in der Landwirtschaft kein Stein auf dem andern. Unser Wasser wird seither Jahr für Jahr mehr und mehr vergiftet, dank der Chemie, ohne die die Landwirtschaft anscheinend nicht mehr funktioniert. Es gibt BioproduzentInnen, die für ein Ja plädieren. Diese Biobauern zeigen auf, dass Landwirtschaft und Trinkwasserschutz durchaus funktionieren und daher Direktzahlungen verdienen.

Ich vermisse im Artikel den Aspekt des sauberen Trinkwassers. Was nützen den Bio-Suisse-Bauern höhere Preise, wenn sie unser Trinkwasser vergiften?

Thomas Rudolf, Thun

Tagsüber wohnen dürfen

Vor der Sihlpost in Zürich traf ich heute einen Mann, der obdachlos ist. Damit er in der Notschlafstelle schlafen kann, muss er fünf Franken zahlen. Eine Mahlzeit kostet dort fünf Franken. Tagsüber kann er an der Rosengartenstrasse nicht wohnen wie wir in unserer Wohnung. Wie er sagte, hat er auch schon unter der Brücke bei der Sihlpost geschlafen. Die Notschlafstelle der Stadt Zürich an der Rosengartenstrasse ist von März bis November von 21 Uhr bis morgens um 10 geöffnet, von Dezember bis Februar von 20 Uhr bis 10 Uhr. Einlass bekommt man bis 0.30 Uhr.

Wie wäre es, wenn eine der reichsten Städte der Welt dem Beispiel Finnlands folgen und für jeden Obdachlosen eine Wohnung schaffen würde? Das würde sicher weniger kosten als der Umbau des Kongresshauses, das Hardturm-Fussballstadion, das Eishockeystadion in Zürich Altstetten, das neue Kunsthaus und ein neues Schauspielhaus am Pfauen.

Dass Menschen, die auf Notschlafstellen angewiesen sind, auch tagsüber wohnen dürfen, war schon das Anliegen von Pfarrer Sieber. In der unterirdischen Notschlafstelle im Bunker Helvetiaplatz war das schon vor 1968 möglich.

Heinrich Frei, Zürich

Generelles Verbot

«Digitalisierung: Die Software sagt, wer den Job bekommt», WOZ Nr. 15/2021

Im ansonsten informativen Artikel heisst es: «In Europa will der NGO-Zusammenschluss European Digital Rights (EDRi) solche Software verbieten. Damit soll verhindert werden, dass diese besonders heiklen ADM-Systeme flächendeckend eingesetzt werden, bevor ihre Folgen genügend erforscht, rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und ethische Prinzipien fest in der Entwicklung verankert sind.» EDRi (beziehungsweise ReclaimYourFace.eu) fordert ein generelles Verbot der biometrischen Identifikation (inklusive Gesichtserkennung) zur Massenüberwachung, also zum Beispiel zur Identifikation von Demonstrierenden oder zur Überwachung von Bahnhöfen. Gesichtserkennung (zur Massenüberwachung) bliebe gemäss ReclaimYourFace auch dann verboten, wenn die drei Forderungen erfüllt würden. Auch wenn zum Beispiel ethische Prinzipien in der Implementierung berücksichtigt würden, würde es sich ja immer noch um Massenüberwachung handeln.

Andreas Geppert, per E-Mail

Beuys war nie Pilot

«100 Jahre Beuys: Ein ganzes Leben als öffentliche Aktion», WOZ Nr. 16/2021

Im Artikel steht: «Spätestens seit der Biografie von Hans Peter Riegel 2013 ist die Nähe des einstigen Hitlerjungen und Kampfbomberpiloten Beuys zu nationalsozialistisch belasteten Personen aktenkundig.» Beuys war nie Pilot. Er meldete sich 1941 freiwillig zur Luftwaffe und wurde zum Bordfunker ausgebildet. Ab Mai 1943 wurde er in einem Sturzkampfflugzeug eingesetzt. Am 16. Mai 1944 stürzte Beuys’ Stuka an der Ostfront ab. Der Pilot des Flugzeugs, Hans Laurinck, starb bei diesem Unfall, Beuys wurde schwer verletzt, von einem deutschen Suchkommando gefunden und am 17. März in ein mobiles Lazarett eingeliefert. Die Geschichte, wonach nomadisierende Krimtataren Beuys gefunden und acht Tage lang mit «Hausmitteln» (Fett, Filz) gesund gepflegt hätten, ist eine von Beuys selbst erfundene Legende, respektive, so Eva Beuys (seine Ehefrau), entstanden in «Fieberträumen in langer Bewusstlosigkeit».

Jörg Schwerzmann, Zürich