Gewalt in Asylzentren: Der Preis der Beschleunigung

Nr. 19 –

Fünfzehn MitarbeiterInnen suspendiert, eine externe Untersuchung eingeleitet: Als Folge der Recherchen von WOZ, «Rundschau» und RTS hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) endlich gehandelt (siehe WOZ Nr. 18/2021 ). Nachdem die Behörde gewalttätige Vorfälle in den Asylzentren des Bundes lange ignoriert hat, werden sie nun von Niklaus Oberholzer untersucht. Der Altbundesrichter soll auch Empfehlungen zur Verbesserung abgeben.

Dabei lassen sich die Übergriffe des Sicherheitspersonals nicht ausserhalb des reformierten Schweizer Asylsystems betrachten, das seit Frühling 2019 gilt. Das Hauptziel war eine Beschleunigung der Verfahren. Asylsuchende werden seither in sechs Verfahrenszentren untergebracht, wo sie angesichts der beschränkten Öffnungszeiten, von Stacheldraht und Videoüberwachung in Halbgefangenschaft leben. Die Asylsuchenden sind praktisch von der Aussenwelt abgeschnitten, die Zivilgesellschaft hat nur beschränkten Zutritt. Auf den Zentren lastet seit der Zentralisierung zudem ein enormer Entscheidungsdruck: Waren früher die Kantone für die Betreuung zuständig, während das SEM die Asylgesuche prüfte, muss heute alles an Ort und Stelle passieren.

Auf engstem Raum treffen so SEM-Mitarbeiterinnen, Rechtsberater, Betreuerinnen, Sicherheitspersonal und Asylsuchende aufeinander. Alle Aufträge hat das SEM im Wettbewerbsverfahren vergeben: In den Zentren herrscht nicht nur ein enormer Zeit-, sondern auch Kostendruck. Dass es in dieser Extremsituation zu Konflikten kommt, kann niemanden überraschen. Es ist richtig, dass nun jeder einzelne Sicherheitsangestellte, dem Übergriffe nachgewiesen werden können, zur Rechenschaft gezogen wird. Aber noch wichtiger ist es, dass die Bundesasylzentren abgerüstet werden. Private Sicherheitsfirmen sollten nicht mehr im Umfeld von Schutzsuchenden tätig sein, zivilgesellschaftliche UnterstützerInnen dafür leichter Zutritt zu den Bundeszentren erhalten. Statt Beschleunigung und Kontrolle braucht es in der Schweizer Asylpolitik mehr Betreuung und Austausch.