Atomabkommen mit dem Iran: Vage Gespräche zur Wiederbelebung

Nr. 22 –

Wenn demnächst im Iran ein neuer Präsident gewählt wird, steht auch die Zukunft des Atomabkommens auf dem Spiel.

Noch scheint alles sehr fragil. Ein konkretes Ergebnis gibt es bisher nicht, aber immerhin ist eine zaghafte Annäherung zwischen Teheran und Washington zu erkennen: Nachdem im Mai in Wien eine weitere Gesprächsrunde im Ringen um das internationale Atomabkommen mit dem Iran stattgefunden hatte, zeigte sich der iranische Präsident Hassan Rohani optimistisch. Man habe sich auf eine Aufhebung der US-Sanktionen geeinigt, sagte er. Jetzt müssten nur noch die Details verhandelt werden.

Doch was hoffnungsvoll klingt, hat seine Tücken. Denn die Wiener Atomgespräche stehen unter Zeitdruck. Rohani, ein Verfechter des Abkommens, darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr für die Präsidentschaftswahlen kandidieren, die am 18. Juni in der Islamischen Republik abgehalten werden. Wegen seiner prowestlichen Reformpolitik steht der moderate Konservative schon seit seinem ersten Amtsantritt im Jahr 2013 in der Kritik der Ultranationalisten. Deren Druck hat seit den Parlamentswahlen im Februar 2020 zugenommen, seitdem stellen die Hardliner dort eine klare Mehrheit. Kürzlich zeigte das Parlament den Staatspräsidenten gar wegen angeblicher Gesetzesverstösse an. BeobachterInnen mutmassen, dass die Wiener Gespräche Anlass für den Vorstoss waren, um moderate Kandidaten von einer Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen abzuschrecken.

Ohnehin entscheidet der Wächterrat, wer sich als Kandidat aufstellen lassen darf – Frauen werden nicht zugelassen. Dieses ultrakonservative zwölfköpfige Gremium wird mit den Wunschkandidaten von Irans oberstem Führer, Ajatollah Ali Chamenei, besetzt. Auch deswegen wurde bisher kein Gemässigter als Präsidentschaftsanwärter zugelassen. Momentan gilt der Justizminister Ebrahim Raisi als Favorit. Der soll in den achtziger Jahren als Teheraner Vizestaatsanwalt für Hinrichtungen Tausender politischer Häftlinge mitverantwortlich gewesen sein. Sollte, und danach sieht es aus, ein Hardliner die kommenden Wahlen gewinnen, wird die Weiterführung des Atomabkommens unrealistisch.

Überwachung gegen Handel

Schon mehrfach hat das Land zugesagt, dass es seine Nuklearwaffen nicht für militärische Zwecke nutzen werde. So unterzeichnete das damalige Regime unter Schah Reza Pahlavi 1968 den Atomwaffensperrvertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Doch 2002 wurde bekannt, dass das Regime Atomanlagen betrieb, die es vor der Atomenergiebehörde der Vereinten Nationen geheim gehalten hatte. 2017 stimmte Teheran auch für die Annahme des Atomwaffenverbotsantrags. Zuvor hatte die Islamische Republik – im Gegensatz zu den Atommächten – aktiv an den Verhandlungen teilgenommen, doch bisher wurde das Abkommen nicht von ihr unterzeichnet.

Als wichtigster Deal aber gilt das im Juli 2015 unterzeichnete internationale Nuklearabkommen, das nach jahrelangen Verhandlungen mit den Vetomächten der Uno sowie mit Deutschland zustande kam. Es erlaubt dem Regime die zivile Nutzung der Atomtechnologie. Zugleich sollte es aber sicherstellen, dass der Iran seine Möglichkeiten zum Bau einer Atombombe nicht ausweitet. Wie schon in den siebziger Jahren verpflichtete sich Teheran auch dazu, die Anreicherung von Uran einzuschränken und regelmässig Kontrollen durch InspektorInnen der Internationalen Atomenergiebehörde zuzulassen. Im Gegenzug lockerten die USA und die EU ihre Wirtschaftssanktionen, mit denen das Regime in den Jahren zuvor wegen eines geheimen Nuklearprogramms belegt worden war. Doch der von den Lockerungen erhoffte wirtschaftliche Aufschwung blieb aus, währenddessen versuchten die Hardliner, den Präsidenten zu demontieren, weil er mit dem Erzfeind USA verhandelt hatte.

Rohani schaffte trotz des beträchtlichen innenpolitischen Widerstands im Mai 2017 die Wiederwahl, auch weil er sich als Architekt des Deals darstellte, von dem sich viele IranerInnen eine Öffnung des Landes erhofften. Obwohl sich der Iran an den Vertrag hielt, kündigte US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 das Abkommen. Er wünschte sich einen «besseren Deal» und führte wieder Sanktionen ein – die anderen Unterzeichnerstaaten jedoch hielten am Abkommen fest. Trotz der darauf folgenden schlimmsten Wirtschaftskrise in der jüngeren iranischen Geschichte drehten sich die Zentrifugen weiter, unterdessen erhöhte der Iran mehrfach mit Ultimaten den Druck auf die verbliebenen VertragspartnerInnen. Die durch Washingtons Sanktionen entstandenen Schäden müssten kompensiert werden, lautete die Begründung. Schrittweise verstiess Teheran gegen das Atomabkommen.

Die Atombombe als Drohmittel

Mit dem Regierungswechsel in den USA keimte wieder Hoffnung auf, das Abkommen sei doch noch zu retten; im April begannen die neuen Gespräche in Wien. Der neue Präsident Joe Biden bekundete schon im Wahlkampf, dass die USA interessiert seien, ihren Austritt rückgängig zu machen. Auch Rohani stellte in Aussicht, sich wieder an die Abmachungen zu halten – doch faktisch untersteht der Präsident in allen Fragen Revolutionsführer Chamenei. Der begrüsst zwar einen Neustart des Abkommens, beharrt aber darauf, dass Washington zunächst die Sanktionen aufheben müsse, damit Iran das Abkommen wieder vollständig einhalte. Biden wiederum fordert, dass Teheran den ersten Schritt mache. «Worte und Versprechungen sind nicht nützlich. Wir brauchen Taten. Handelt die Gegenseite, werden wir reagieren. Die Islamische Republik wird sich diesmal anders als früher nicht mit Worten und Versprechungen zufrieden geben», sagte Chamenei kürzlich im Staatsfernsehen. Die Drohung, eine Atombombe zu bauen, ist die vermeintlich einzige Möglichkeit, gegenüber dem Ausland Druck aufzubauen, die das Regime hat – dass diese Drohung durchaus Substanz hat, zeigte sich im April, als iranische Atomforscher verkündeten, sie hätten mit der Urananreicherung auf 60 Prozent begonnen. Ab 90 Prozent ist die Atomwaffentauglichkeit erreicht.