Pensionskassen: Dafür sind die Vorsorgegelder nicht da

Nr. 23 –

Bei Pensionskassenwechseln fliessen auf Kosten der Erwerbstätigen hohe Provisionen an VersicherungsbrokerInnen. Der Bundesrat will diese Art der Entschädigung abschaffen. Im Ständerat gibt es dagegen allerdings Widerstand aus dem bürgerlichen Lager.

Nächste Woche berät die kleine Kammer den Systemwechsel bei der Entschädigung von BrokerInnen, die bei einem Pensionskassenwechsel Firmen beraten und vermitteln. Gemäss einer Studie der St. Galler Beratungsfirma C-alm fliessen jährlich etwa 180 Millionen Franken an Provisionen an sie, Tendenz steigend. Diese Kosten bezahlen heute die Pensionskassen – und damit die Versicherten. Neu sollen BrokerInnen ihren Aufwand in Rechnung stellen – und zwar dem Unternehmen, das einen Kassenwechsel ins Auge fasst und für die Beratung und Vermittlung einen Broker beauftragt.

Im Ständerat hat das Geschäft voraussichtlich einen schweren Stand. Die vorberatende Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) lehnt einen Systemwechsel mit 9 : 4 Stimmen ab. Grüne und SP sind dafür, die bürgerlichen Kommissionsmitglieder geschlossen dagegen. Sieben dieser neun Bürgerlichen sind mit der Versicherungsbranche verbandelt. Die Bürgerlichen argumentieren, eine Änderung des Entschädigungssystems benachteilige insbesondere kleinere Betriebe, die sich einen Broker nicht mehr leisten könnten, wenn sie ihn selbst bezahlen müssten.

Nicht auf Kosten der Versicherten

Gemessen an der Bilanzsumme aller Pensionskassen von über einer Billion Franken (Stand 2019) erscheinen die 180 Millionen Franken Provisionen als Peanuts. Aber das Geschäft ist angesichts dramatisch sinkender Pensionskassenrenten brisant. Eliane Albisser, Geschäftsführerin des gewerkschaftsnahen PK-Netzes, sagt: «Das heutige System auf Kosten der Versicherten ist hochgradig unfair. Wir müssen wegkommen von erfolgsabhängigen Provisionen. Heute erhalten Broker nicht nur Abschlussprovisionen, sondern zum Teil fortlaufende Courtagen.» Sie bestreitet die Notwendigkeit von Vermittlung und Beratung in dieser komplexen Materie nicht. Und das dürfe auch etwas kosten. «Aber heute sind die Vermittler nicht unabhängig, weil sie von jenen Vorsorgeeinrichtungen auf Provisionsbasis bezahlt werden, an die sie ein Unternehmen vermitteln. Richtig ist eine Aufwandsentschädigung, die der Aufraggeber bezahlt, also das Unternehmen, das die Vorsorgeeinrichtung wechseln möchte. Das würde nicht nur Vermittlungskosten senken, sondern auch die Interessen der Versicherten besser schützen.»

Albisser kritisiert zudem die tiefen Zutrittskriterien zu diesem Vermittlermarkt. In der Studie von C-alm heisst es dazu: In der derzeitigen Ausbildung zum Versicherungsvermittler sei die berufliche Vorsorge gemessen an der Bedeutung und Komplexität nur ungenügend berücksichtigt. «Von etwa vierzehn bis zwanzig Tagen Ausbildung nimmt der BVG-Anteil nur etwa zwei Tage in Anspruch.» Die Studienautoren raten zwecks Qualitätsverbesserung zu einer BVG-spezifischen Ausbildung als Bedingung für die Vermittlertätigkeit.

Weniger PKs, mehr Wettbewerb

Auch der Schweizerische Pensionskassenverband (Asip) unterstützt den Systemwechsel. Geschäftsführer Hanspeter Konrad: «Dass Vorsorgeeinrichtungen Broker heute mit jährlich wiederkehrenden Courtagen entschädigen, erzeugt Fehlanreize, es ist nicht im Interesse der Versicherten, nicht mit dem Vorsorgezweck vereinbar und somit vorsorgerechtlich nicht zulässig.» Trotz Transparenzpflicht könnten weder Interessenkonflikte noch überhöhte Zahlungen ausgeschlossen werden. Das aktuelle Entschädigungssystem führe dazu, dass der Wettbewerb zwischen den Vorsorgeeinrichtungen nicht über die unabhängige Beurteilung der Leistungen, sondern über die Höhe der Courtagen ausgefochten werde.

Tatsächlich herrscht im Vorsorgemarkt ein knallharter Wettbewerb. Die Zahl der Vorsorgeeinrichtungen hat sich seit 2004 beinahe halbiert, von 2935 auf 1643. Aufgegeben werden vor allem firmeneigene Pensionskassen. Die Unternehmen versichern ihre Angestellten zunehmend in Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE). Mittlerweile sind dort rund siebzig Prozent der Erwerbstätigen versichert. Der Wettbewerb unter den SGE wird sich weiter verschärfen: Viele wollen wachsen und ihre Wachstumsmöglichkeiten direkt beeinflussen – eben indem sie die BrokerInnen bezahlen, wenn diese ihnen neue Mitglieder zuführen. Daher lehnt die Inter-Pension, die Interessengemeinschaft autonomer Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen, einen Systemwechsel ab. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen würden ausreichen, zumal mit der bevorstehenden Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes die Entschädigung der BrokerInnen künftig offengelegt werden müsste.

Schätzungen gehen davon aus, dass es in wenigen Jahren noch 1000 Vorsorgeeinrichtungen geben wird, davon bloss noch 250 firmeneigene Pensionskassen. Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen gewinnen an Bedeutung. Wer sich gut positioniert und das eigene Wachstum sichert, hat bessere Überlebenschancen. Zumindest kurzfristig gute Aussichten sind das auch für BrokerInnen, die auf Provisionsbasis arbeiten. Denn der Vorsorgemarkt wächst. 2004 waren rund 3,3 Millionen Erwerbstätige versichert, heute sind es etwa 4,3 Millionen. Die Zahl der Unternehmen in der Schweiz wächst ebenfalls.

Gemäss der erwähnten C-alm-Studie hat der Konzentrationsprozess auch problematische Seiten: Die Vorsorgeeinrichtungen werden grösser und damit anonymer. Die Identifikation der Versicherten und auch der Unternehmen mit den anonymeren Vorsorgewerken nimmt ab. Das könnte zu noch schlechteren Vorsorgeleistungen führen.

Gutachten und Gegengutachten

Die Auseinandersetzung über das Entschädigungssystem wird im Vorfeld der parlamentarischen Beratung mit harten Bandagen geführt. Der Verband der Schweizerischen Versicherungsbroker (Siba) reagiert auf einen «Tages-Anzeiger»-Artikel «bestürzt» und bezeichnete die Berichterstattung als «Broker-Bashing», weil der Artikel unter anderem aus dem juristischen Gutachten der Advokatur für Vorsorge- und Versicherungsrecht (AVS) zitiert. Im Gutachten, dass auch der WOZ vorliegt, heisst es unter anderem: «Wenn eine Vorsorgeeinrichtung einem Broker Courtagen bezahlt, entschädigt sie eine Partei, die verpflichtet ist, die Interessen ihrer vertraglichen Gegenpartei zu wahren, und die Aufgaben übernimmt, für die von Gesetzes wegen die Arbeitgeberin zuständig ist. Das ist nicht zu rechtfertigen und stellt eine zweckwidrige Verwendung von Vorsorgevermögen dar.» Siba-Präsident Markus Lehmann verweist in der Stellungnahme auf juristische Gutachten, «die das Argument der Rechtswidrigkeit von Courtagen widerlegen». Ausserdem behauptet die Siba, die Zahlen der C-alm-Studie seien falsch. Auch auf die Kritik der mangelhaften Ausbildung der BrokerInnen im Bereich der Vorsorge reagiert Lehmann. Er weist darauf hin, dass der Verband zusammen mit der Interessengemeinschaft Ausbildung im Finanzbereich einen neuen Zertifikatslehrgang ins Leben gerufen habe.

Asip und PK-Netz hingegen halten an ihren Positionen fest, auch an der Richtigkeit der Zahlen über die Höhe der Brokerentschädigungen. Die Beratung im Ständerat wird kaum neue Argumente zutage fördern. Ohnehin wird es dauern, bis eine allfällige gesetzliche Regelung der Brokerentschädigung beschlossen ist. Im Nationalrat ist das Geschäft noch nicht traktandiert.